25
Jul
2018

Die Cordillera Huayhuash in Peru – Trekking auf einem der zehn schönsten Treks weltweit Teil 1

Der Huayhuash Trek nahe Huaraz: ein echter Geheimtipp soll er (noch) sein und mit seinen majestätischen Landschaften, seinen Routen durch schneebdeckte Berge, an kristallklaren Lagunen, Flüßen, Bächen und steilen Hängen entlang einer der 10 schönsten Treks weltweit. Der Huayhuash Gebirgszug, den der Trek umrundet bzw. durch den er führt, ist 30 Kilometer lang und eines der fragilsten Ökosysteme in Peru. Erst 2002 wurde das Gebiet, in welchem sich mit dem 6.634 Meter hohen, schneebedeckten Yerupajá der zweithöchste Berg Perus befindet, von der peruanischen Regierung zum Naturreservat erklärt. Wir wagen uns an das bis zu zehntägige Abenteuer Huayhuash. Vor dem Rückflug nach Deutschland und dem Ende unserer zwei Monate Backpackingreise ein letzter großer langer Trek…

Tag 1 Huayhuash Trek – Gemütlicher Einstieg von Pocba nach Quartelhuain

4 Uhr in der Nacht. Mein Wecker klingelt, offenbar zum zweiten Mal. Den ersten hatte ich am Vorabend auf 3:55 Uhr gestellt. Vor lauter Müdigkeit muss ich ihn im Schlaf vollkommen ignoriert haben.

Erst um kurz vor Mitternacht bin ich am Vorabend ins Bett gekommen. Die Nacht war entsprechend vor allem mal wieder eines: kurz.

Ich muss mich erst mal orientieren. Ah, alles klar. Ich befinde mich im Zimmer unseres Hostels in Huaraz, dem Bergsteigerort von Peru – knappe zehn Stunden mit dem Bus nördlich von Lima gelegen. Damit dämmert mir auch, warum mein Wecker mitten in der Nacht losklingelt. Um halb fünf müssen Christian und ich am anderen Ende der Stadt beim Busbahnhof sein, um unseren Bus nach Pocpa zu erwischen, dem Startpunkt des Huayhuash Treks.

An sich wollten wir nach den anstrengenden Tagen in Bolivien und den wenig erholsamen Tagen im Flieger nach Lima und im Nachtbus nach Huaraz uns zwei volle Tage zum Entspannen, für den Resupply und zum Ausschlafen gönnen.

Ich schaue noch mal auf mein Handy, welches mich so unsanft geweckt hat. 4:03 Uhr. Naja, so viel dann also zum Ausschlafen. Ich verfluche mich ein wenig für den Plan, nach dem gestrigen Resupply direkt heute auf den Trail zu starten.

Christian, der ein paar Stunden mehr Schlaf als ich hatte, quält sich ebenso aus dem Bett. Es hilft nichts. Der Bus ist gebuchtund die Rucksäcke sind bereits seit dem Vorabend bereits gepackt. Also Katzenwäsche und dann los. Mit dem Taxi zum Busterminal.

So schaut er übrigens aus: unser Resupply, den wir am Vortag in der Markthalle von Huaraz erstanden haben. Für sieben Tage soll er reichen. Dann werden wir das Bergdorf Huayllapa erreichen, wo wir die Möglichkeit haben, für die dann verbleibenden Tage auf dem Trek einzukaufen.

Unser Bus steht beinahe pünktlich bereit. Und direkt lernen wir hier Ari und Aliza aus Israel sowie Boris und Alisanne aus Frankreich kennen. Die vier gehen den Huayhuash ebenso wie wir auf eigene Faust und entsprechend ohne geführte Tour an. Sehr cool, vielleicht sehen wir uns ja an denselben Campspots und zelten gemeinsam.

Um fünf fährt unser Bus endlich ab. Nach zweieinhalb Stunden, die ich wie Christian halb wach, halb schlafend verbringe, erreichen wir den Ort Chiquian. „Buswechsel“ heißt es hier. Wir müssen in einen kleineren Bus umsteigen, da die windige Straße nach Pocba für den Verkehr mit großen Bussen nicht geeignet ist. Zuvor haben wir jedoch eine halbe Stunde Zeit. Wir nutzen diese, um mit Ari und Aliza in einem kleinen Restaurant zu frühstücken. Es gibt für jeden von uns wahlweise ein pappiges Brötchen mit Marmelade oder eines mit Käse und Ei. Dazu einen Kaffee oder Tee.

Ich fühle mich an diesem Morgen elendig müde. Es war in der Summe der vergangenen Tage eindeutig zu wenig Schlaf. Die nächsten zwei Stunden Busfahrt bekomme ich daher auch nur so halb mit. Ich dämmere irgendwo zwischen Wachen und Schlafen.

Etwas wacher werde ich erst als wir in Llamac, unserem Zielort in zehn Tagen, ein Boleto Tourístico lösen dürfen: 20 Soles kostet es pro Person. Im fünf Kilometer entfernten Pocpa, unserem Startort für den Trek – Llamac durchfahren wir schließlich nur – werden wir noch mal zur Kasse gebeten: 15 Soles pro Person.

So soll es übrigens die nächsten Tage auch weitergehen. Hier mal 30 Soles Passiergebühr, dort mal 40 Soles usw. Dafür ist das Hiken in der Cordillera Huayhuash mittlerweile sicher und das Geld insoweit gut angelegt. Die Zeiten, in denen in der abgelegenen Bergregion Hiker ausgeraubt und nicht selten auch getötet wurden, wünscht sich hier sicher keiner zurück. Da bezahlt man dann auch gerne mal diese Art von „Schutzgeld“.

Da sind wir nun also, in Pocpa, einem kleinen Bergdorf auf etwa 3.400 Metern. Von hier aus starten wir durch. Als ich aus dem Bus steige, habe ich das Gefühl, die Sonne will mich direkt wie ein Grillhähnchen brutzeln. Also erstmal raus aus den warmen Klamotten. Offenbar ist hier tagsüber dasselbe T-Shirt-Wetter wie auf unseren Treks zuvor.

Wir packen kurz unsere Rucksäcke um, schnüren unsere Bergstiefel noch mal etwas fester, dann geht es los. Für heute zunächst knappe 800 Höhenmeter hinauf zu einem offiziellen Campspot namens Quartelhuain, gelegen auf 4.180 Meter vor dem ersten hohen Pass des Treks.

Wie hatte Christian noch mal nach dem Ausangate gesagt: der Ausangate war hart, der Huayhuash wird Fratzengeballer. Die Kälte und die Höhe hatten uns in den sechs Tagen auf dem Ausangate Circuit enorm zugesetzt und nun machen wir uns daran, für zehn Tage in ähnlicher Höhe und vermutlich bei selber Kälte zu hiken.

Ich blicke hinauf in den Himmel und hoffe, dass das Wetter die kommenden zehn Tage mitspielt. Auf dem Ausangate Circuit hatten wir wahnsinniges Glück mit dem Wetter. Jede Menge Sonnenschein. So ich den Worten der beiden polnischen Kletterer glauben darf, mit denen ich im Hostel in Huaraz gesprochen hatte, war es hier in den vergangenen Wochen ziemlich wechselhaft mit viel Regen und Schnee.

Von Pocpa aus steigen wir auf einer Schotterstraße das eng von steilen Felswänden eingerahmte Tal auf. Stets an einem rauschenden Bachlauf entlang. Richtig friedlich scheint es hier. Jede Menge Blumen wachsen in all dem Grün.

Wir passieren einige hochgewachsene Eukalyptusbäume. Langsam werde ich richtig wach. Das Laufen in der Sonne vertreibt offensichtlich meine Müdigkeit.

Fünf Stunden sollen es bis zum Campspot Quartelhuain sein. Ich bin gespannt wie lange wir brauchen. Unsere Mitstreiter aus Israel und Frankreich haben wir bereits hinter uns gelassen. Wir werden sie nachher auf der Campsite wiedertreffen.

Ich eile etwas vor Christian voraus. Ich bin meist etwas schneller im Aufstieg. Jeder läuft sein Tempo. Zudem hört Christian ohnehin fast die ganze Zeit beim Hiken Hörbücher.

Die Landschaft ist noch nicht spektakulär und atemberaubend wie an so vielen Spots, die wir bislang in Südamerika gesehen haben, aber dennoch schön anzuschauen. Ich passiere kleinere Viehweiden am Talgrund sowie einige kleine, verlassen aussehende Berghütten.

Ich fühle mich gut, nun wo die Müdigkeit endlich vertrieben ist und auch die Magenschmerzen, die mich gestern noch gepeinigt hatten, verschwunden sind. Ich muss irgendwas falsches gegessen haben. Vermutlich kein Kunststück in Südamerika.

Selbst der Rucksack scheint nicht so schwer zu wiegen. Dabei ist er vollgestopft mit Essen. Für sieben Tage muss es reichen. Und nun nach anderthalb Monaten beinahe ununterbrochenen Hikens sind es nicht mehr zwangsläufig die kleinen Portionen, die wir eingepackt haben. Der Appetit ist mit der Zeit gestiegen und so langsam muss auch dem Gewichtsverlust, der zumindest mich auf langen Hikes ereilt, entgegengewirkt werden.

Auf dem steten Weg hinauf kommt mir ein älteres Paar mit zwei Eseln entgegen. Freundlich lächeln sie mich an. Während Frau und Tiere weiterlaufen fragt mich der ältere Mann etwas, was ich mit meinen wenigen Spanischkenntnissen nicht mal im Ansatz verstehe. Als ich ihm sage, dass ich kein Spanisch spreche, deutet er auf sein Handgelenk. Aha, es hat Klick gemacht bei mir. Er möchte offenbar wissen wie spät es ist. Na nichts leichter als das. Ich krame mein Handy raus. Die Uhrzeit wird ja auf dem Sperrbildschirm angezeigt. Womit ich nicht rechne: der gute Kerl muss halbblind oder extrem weitsichtig sein. Keine Chance. Er kann nichts erkennen auf dem Handydisplay. Nach gefühlt fünf Minuten des Überlegens platzt es aus mir heraus: „Onze horas, trenta minutos“. „Aaaah, onze media“, ruft er aus, gefolgt von einem „Gracias“. Dann macht er sich mit seiner Frau weiter auf den Weg. Na, irgendwie kriegt man sich ja doch verständigt.

Vor dem Dorf Pallas stoppe ich, setze mich ins Gras und warte auf Christian. Ich stopfe mir zwei Müsliriegel rein und studiere die Karte. Die Hälfte des Weges ist geschafft, ebenso die Hälfte der Höhenmeter hinauf. Langsam beschleicht mich ein Kopfschmerz, den ich weniger auf die Höhe, mehr auf auf den mangelnden Schlaf zuletzt schiebe. Als Christian 20 Minuten später eintrifft, berichtet auch er von Kopfschmerzen. Aber auch davon ab fühlt er sich ziemlich groggy.

Kurz vor Christian breche ich wieder auf. Das Tal weitet sich nun deutlich. Es geht ins Andenhochland. Dort, wo zuvor noch Bäume und Sträucher im eng eingeschnittenen Tal neben dem Bach standen, dominiert nun Gras und Fels die bergiger werdende Landschaft. Steile Wände aus dunkelgrauem Fels, die sich über ganze Berggrate erstrecken, ragen nun über den flachereren, grasbewachsenen Hängen auf. Beinahe so wie in den Alpen, wie in Teilen Südtirols.

Der Anstieg wird insgesamt weniger steil. Ich laufe noch immer auf der Schotterstraße. Sie führt bis Quartelhuain hinauf.

Es ist ruhig hier. Das Rauschen des Baches und gelegentlich das Meckern von Ziegen sowie das Blöken von Schafen. Mehr ist hier nicht zu hören.

Die Landschaft wird immer schöner. Immer mehr erinnert mich die Szenerie um mich herum an die Landschaft in den Alpen, dann auch wieder stellenweise an Landschaften in den schottischen Highlands.\n\nIch nutze das Laufen auf Schotter um nachzudenken. Während ich im Gelände unentwegt konzentriert bleibe, gibt es das Hiken auf der Straße her, dass meine Gedanken davonschweifen. Die beinahe zwei Monate in Südamerika gehen bald auf ihr Ende zu. Noch etwas mehr als zwei Wochen, dann geht der Rückflug nach Deutschland. Und für die Zeit danach habe ich noch keine wirkliche Planung. Wieder arbeiten, noch mehr reisen? Ich bin unschlüssig und komme zu keinem Ergebnis. Vielleicht gibt die nächste Schotterstraße da mehr her…

Es ist 14 Uhr als ich in Quartelhuain ankomme: ein grasbewachsener Hang mit einigen ebenen Flächen zum Zeltaufbau, ein einfaches Toilettenhäuschen und zur Wasserversorgung der Bachlauf. Einer dieser typischen Campspots auf peruanischen Treks eben. Mehr braucht es ja aber auch nicht – vor allem nicht, wenn die umliegende Landschaft so viel Schönheit bietet.

Christian kommt wieder 20 Minuten nach mir an. Obwohl wir nur dreieinhalb Stunden hiken waren: er ist ziemlich hinüber und schläft nach dem Zeltaufbau direkt im Zelt ein. Ich hoffe echt, dass er nicht krank wird. Zwei Mal hat es ihn hier in Südamerika schon umgehauen. Irgendwie ist das genug.

Der Campspot füllt sich im Laufe des Nachmittags: zwei geführte Touren schlagen ihre Zelte in Quartelhuain auf, hinzu kommen noch Ari und Aliza, Boris und Alisanne sowie einige weitere Franzosen, die sehr spät ankommen.

Am späten Nachmittag verquatschen wir die Zeit mit Boris und Alisanne sowie mit Ari und Aliza ehe wir gemütlich draußen essen. Kartoffelbrei mit ein paar Grwürzen sowie angebratener roter Zwiebel und Salami. Irgendwie haben wir dafür auf den vergangenen Treks ein Faible entwickelt. Einfach aber lecker! Und gemeinsam mit einer Suppe, für die sich Christian von einer Einheimischen noch einen Ersatz für seinen vermutlich im Hostel verlorenen Löffel besorgen muss, unser Start in Sachen Verpflegung auf dem Huayhuash Trek.

Am Abend zieht es sich zu. Es beginnt zu regnen. Ja tatsächlich. Es beginnt wirklich zu regnen. Das hatten wir auf sämtlichen Treks hier in Peru bislang noch gar nicht erlebt. Ob unsere Regenjacken in den zwei Monaten hier doch noch mal Verwendung finden?

Angenehm prasselt der Regen aufs Zeltdach. Ich bin langsam auch ziemlich hinüber und schlafe tatsächlich schon um halb acht ein. Zwar nicht vor Christian, aber in jedem Fall ziemlich früh…

Tag 2 Huayhuash Trek – Wir nehmen Fahrt auf. Über den Cacanan Punta und den Punta Carhuac von Quartelhuain zur Laguna Carhuacocha an einem Tag

Elfeinhalb Stunden… Unglaublich, so lange habe ich hier in Südamerika noch nie geschlafen. Es ist sieben Uhr als ich wach werde. Ich kann es gar nicht glauben und lese die Zeit auf meinen Handy gleich mehrfach. Ich weiß noch, dass ich am Vorabend todmüde mein Kleinkrams gegen halb acht ins Meshnetz des Innenzeltes am Kopfende meiner Isomatte gestoft habe. Und das ich einmal in der Nacht aufgewacht bin, weil mir mit den vielen Klamotten im Schlafsack zu warm war. Ich muss tatsächlich so lange geschlafen haben. Mein Schlafdefizit war offenbar immens…

Draußen ist es noch eisig kalt. Das Zelt ist durch den Regen am gestrigen Abend von einem regelrechten Eispanzer überzogen. Nicht sonderlich dick, dafür aber vollflächig.

Meine Wasserflasche ist nicht gefroren. So kalt wie auf dem Ausangate Circuit war es in der vergangenen Nacht offensichtlich dann doch nicht. Ich schätze, es liegt an den Wolken und der Höhe von nur knapp über 4.000 Metern. Auf dem Ausangate war es meist sternenklar in der Nacht. Zudem hatten wir dort regelmäßig gute 600 Meter höher übernachtet als hier in der ersten Nacht auf dem Huayhuash Trek.

Christian ist ebenso wach. Wir machen uns zunächst ans Frühstück. Wraps, Salami, Nutella, Marmelade, Karamallcremé, Milchpulver und Müsli haben wir dafür besorgt. Gibt’s natürlich nicht alles auf einmal. Heute nehmen wir mit Wraps mit Salami, Nutella und Karamellcremé vorlieb.

Mein Körper weigert sich nach dem Frühstück aus dem Schlafsack zu steigen. Ich muss ihn regelrecht dazu zwingen. Die Kälte draußen ist nicht sehr hilfreich.

Um viertel vor neun brechen wir schließlich auf. 600 Höhenmeter sind es bis zum Pass Cacanan Punta auf 4.750 Metern. Der erste hohe Pass des Huayhuash Trek. Wir steigen direkt von unserem Campspot zunächst über die grasbewachsene Flanke des Berges neben uns auf. Der weitere Aufstieg erfolgt in Serpentinen im Fels.

Schwer atmend und keuchend bewegen wir uns den Hang und die Serpentinen hinauf. Es ist kraftraubend. Der schwere Rucksack, den ich gestern noch kaum zu spüren vermochte, macht sich nun bemerkbar. Ich stoppe vielleicht alle vielleicht zwanzig Höhenmeter. Nur um durchzuatmen. Kurz zu verschnaufen. Ein schwerer Rucksack, gepaart mit einem steilen Anstieg in dünner Höhenluft: das ist mein Kryptonit…

Trotz aller Anstrengung: die Schönheit der Landschaft geht nicht unbemerkt an mir vorüber. Hat sie mich gestern bereits an die Alpen erinnert, tut sie das auf dieser Seite des Passes heute noch umso mehr. Wir steigen über Geröllfelder und unterhalb von Steilwänden entlang.

Kurz unterhalb der Passhöhe überhole ich unsere israelischen Mitstreiter. Aliza ist die Anstrengung anzusehen. Ich frage, wann sie heute morgen gestartet sind. 6:30 Uhr, sagt sie. Wahnsinn. Es ist jetzt halb elf, vier Stunden später also. Sie kämpfen sich in etwa viereinhalb Stunden auf den Pass hoch. Beeindruckend. Mehr noch, als dass Christian und ich es in etwas mehr als zwei Stunden schaffen. Sie geben nicht auf und beißen sich durch. Statt zwei über vier Stunden lang…

Von der Passhöhe steige ich noch ein Stück höher hinauf. Ein kleiner Nebengipfel soll eine atemberaubende Aussicht bieten. Und tatsächlich. Mir stockt regelrecht der Atem. Diesmal nicht vor Anstrengung. Zur anderen Seite des Passes tut sich eine völlig unerwartete, spektakuläre Aussicht auf. Phänomenal. Und auch der Blick zurück ist nicht minder spektakulär.

Christian kommt eine Weile nach mir an. Gemeinsam genießen wir die Aussicht, schießen ein paar weitere Fotos ehe wir uns an den Abstieg machen. Der kalte Wind ist kaum zum Aushalten. Zu eisig um länger auszuharren. Ich für meinen Teil friere. Insgesamt war ich aber auch eine halbe Stunde hier oben…

Der Weg nach unten auf der anderen Seite verläuft nur wenig in Fels, meist im grasigem Hang. Ich überlege kurz. In Neuseeland war ich bereits mit Rucksack gejoggt, warum dasnicht auch in Südamerika probieren. Auf über 4.500 Meter. Dann beginne ich zu laufen. Ich bin ausgeruht genug nach der halben Stunde oben. Zudem laufe ich dann schneller wieder warm. In Windeseile habe ich den Pass verlassen und bin einige hundert Höhenmeter abgestiegen.

Ich stoppe. Nicht weil ich kaputt bin sondern wegen der Landschaft. Sie ist unbeschreiblich schön. In diesem Moment denke ich erstmals, dass all die Berichte über den Huayhuash Trek als eine der schönsten Trekkingtouren der Welt nicht zuviel versprochen haben.

Die Farben der Landschaft hier im Abstieg vom Pass sind unglaublich. Ich bleibe lange einfach nur sitzen, um die Landschaft zu genießen und die Eindrücke aufzunehmen. Dies ist er. Einer dieser Momente, an denen ich mich daran erinnert sehe, welch ein unglaublicher Ort unser Planet ist und wieviel Schönheit er bietet…

Irgendwann schließt Christian auf und wir gehen gemeinsam weiter. Auch er ist überwältigt von der atemberaubend schönen Landschaft auf der anderen Seite des Passes.

Gegen eins entrichten wir auf Höhe der Laguna Mitococha die nächsten 40 Soles Passiergebühr je Person und essen etwas zu Mittag. Nichts großes. Wir kochen eine Champignonssuppe. Eine von diesen Knorr-Fix-Suppen. Zum Glück haben wir nur eine davon. Lecker ist anders.

Ursprünglich hatten wir vor an der Laguna Mitococha zu campen, am morgigen Tag dann an der Laguna Carhuacocha. Diesen Plan verwerfen wir. Wir wollen heute noch zur Laguna Carhuacocha zu gelangen. Gestern hatten wir bereits überlegt, ob es möglich wäre, die zwei Tage an einem zu laufen. Nun, da wir am frühen Nachmittag bereits an der ersten Campmöglichkeit sind, versuchen wir es.

Am Ufer des Flusses, den wir nach dem Mittag passieren, liegt ein vollständiges Eselgerippe. Man gut, dass wir unsere Wasservorräte kurz zuvor gefiltert haben. Ein paar Dutzend Meter weiter stromabwärts haben wir diese dem Fluss kurz zuvor entnommen.

Der Weg zur Laguna Carhuacocha führt über einen weiteren Pass, den Punta Carhuac auf 4.630 Metern. Damit wartet erneut ein Aufstieg von rund 400 Höhenmetern auf uns.

Er vollzieht sich gemächlich. Zumindest im Vergleich zum vorherigen Pass. Durch gräserne Landschaft geht es stetig bergan. Ich blicke zurück. Die geführten Touren vom gestrigen Abend lassen wir hinter uns. Sie schlagen ihr Lager gerade an der Laguna Mitococha auf.

Auch wenn der Anstieg nicht extrem steil ist. Er ist anstrengend. Christian geht es genauso. Wie ich atmet er schwer im Anstieg.

Noch zweieinhalb Kilometer bis zum Pass. Die letzte Stunde habe ich nur zwei Kilometer geschafft. Aber ich finde die Motivation. Für jeden Tag des Treks haben wir eine Tüte Gummibären dabei. Laufen wir nun zwei geplante Tage an einem Tag bedeutet das einen Gummibärenüberfluss und die doppelte Ration am Abend. Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die zählen.

Der weitere Weg zum Pass quert ein sanft ansteigendes Hochplateau. Kühe weiden hier auf knapp 4.500 Metern. Bestimmt eine Stunde laufe ich bergan, Christian meist in Sichtweite hinter mir. Dann bin ich endlich oben!

Mein Blick voraus fällt auf den zweithöchsten Berg Perus, den Yerupajá. 6.634 Meter Fels und Eis. Leider sehe ich ihn nicht in voller Pracht. Dichte Wolken drängen gegen den Berg und verdecken die Sicht auf seine Spitze.

Zurück fällt mein Blick in jenes Hochplateau, aus dem ich gekommen bin, und die dahinterliegenden Berge. Eine schöne Aussicht. Irgendwie toppt sie den Blick nach vorne sogar.

Ich warte noch auf Christian, dann geht es an den Abstieg. Eine Stunde laufen wir hinab. Meine Füße schmerzen langsam. Es ist ein langer Tag. Beinahe sehnsüchtig erhoffe ich den Blick auf die Laguna Carhuacocha, wo sich unser nächster Campspot befindet.

Auf einmal donnert es gewaltig. Das Geräusch kommt mir bekannt vor. Kein Gewitter. Ein Eisabbruch am Gletscher. Ich erklimme die nächste Anhöhe und bekomme zu sehen wie Eis, Schnee und Geröll von einem der Hängegletscher des Yerupajá krachend über eine Klippe zu Tal rauschen. Über eine Minute dauert das Spektakel. Christian bekommt von alledem nichts mit. Seelenruhig lauscht er seinem Hörbuch.

Von der Anhöhe, auf der ich stehe, sehe ich endlich auch das tiefe Blau der Lagune. An ihrem anderen Ende ist die Campsite. Ein knapper Kilometer, den wir letztendlich auch bewältigen.

Sofort bauen wir das Zelt auf und beginnen zu kochen. Dunkle Wolken hängen über uns. In nicht einmal einer Stunde wird es dunkel. Es gibt Couscous mit einer Salsasauce und Thunfisch. Nicht das beste Abendessen, aber wir hatten schon schlechtere.

Die zwei Tüten Gummibären – die gibt es natürlich auch – genießen wir nach dem Abendessen im Zelt. Draußen ist es derweil ungemütlich. Es hagelt. Um das Zelt herum ist der ganze Boden von den eisigen Brocken bedeckt. Ein eiskalter Wind pfeift. Im Zelt hingegen ist es urgemütlich…

Tag 3 Huayhuash Trek – Auf einer Nebenroute an den Tres Lagunas vorbei und über den Siula Punta Pass nach Huayhuash

Kopfschmerzen. Sie haben mich die Nacht gequält und am heutigen Morgen wollen sie auch nicht von mir ablassen. Überhaupt fühle ich mich platt. Mein Schlaf war schlecht. Ich bin mehrfach aufgewacht und habe trotz Schlafsackinlet im Schlafsack und einigen wärmenden Schichten aus Polartec gefroren.\n\nEs ist beinahe sieben. Von draußen ist das geschäftige Treiben der geführten Touren zu hören. Jemand spricht: „Do you want Cocatea?“. Klar! Natürlich möchte ich einen Cocatee. Der würde mich richtig aufwärmen. Doch die Frage galt nicht mir… Leider.

Meine Hände sind eiskalt. Für mich das schlimmste am Morgen hier. Ich denke an Deutschland. 35 Grad sind dort gerade… Es hilft nur bedingt. Warme Gedanken wärmen halt noch keine kalten Hände. Der Cocatee hätte bestimmt mehr geholfen.

Erstmal halb raus aus dem Schlafsack und zwei Wraps schmieren. Christian, der gestern schon um halb sieben geschlafen hat, ist seit ner Stunde wach.

Ich selbst war gestern bis halb zwölf auf. Eine Stunde könnt ich sicher noch schlafen. Dagegen spricht, dass uns ein langer Tag bevorsteht. Wir wollen schließlich die Haupttrekkingroute um die Cordillera Huayhuash verlassen und uns an eine Nebenroute über den Siula Punta Pass wagen. Sie soll anstrengender sein als die Hauptroute, uns dafür aber mit spektakulären Aussichten auf Peru’s zweithöchsten Berg, den 6.634 Meter hohen Yerupajá, sowie die Tres Lagunas belohnen…

Nach dem Frühstück pelle ich mich auch aus der unteren Hälfte des Schlafsacks. Es ist immer noch kalt. Das Zelt ist pitschnass. Der Hagel am gestrigen Abend ging irgendwann in Regen über.

War die Landschaft vor dem Zelt während unseres Frühstücks noch in dichte Wolken gehüllt, vertreibt die Sonne diese nun langsam. Nur vor dem Yerupajá und den ihn umgebenden Gipfeln verbleibt ein gräuliches Wolkenband. Es reicht jedoch nicht bis zum Gipfel hinauf. Die Sicht auf die Spitze ist frei.

Um viertel nach acht laufen wir los. Zunächst um die Lagune herum, über deren Oberfläche der Wind zieht. Kleine Wellen kräuseln sich. Nicht jedoch an einer Stelle. Algen, die bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen, brechen dort das Wellenspiel. Dahinter liegt das Wasser der Lagune völlig ruhig dar. Wie in einem riesigen Spiegel reflektieren sich die schneebedeckten Berge, die auf der anderen Seite der Lagune aufragen.

Ich beobachte eine Weile die Reflektion im Wasser und schließe dann zu Christian auf. Er löst für uns schon mal das nächste Boleto Tourístico. Dieses Mal 20 Soles pro Person. Ich frage mich wie diese Preise berechnet werden… Etwas Willkür ist bestimmt dabei 🙂

Auf der anderen Seite der Lagune hiken wir auf die schnee- und eisbedeckten Berge um den Yerupajá zu. Das Wasser der Lagune schimmert im Sonnenlicht regelrecht grünblau. Es ist unglaublich schön anzusehen.

Eine halbe Stunde dauert es. Dann ist endlich die Kälte der Nacht und des Morgens aus meinem Körper vertrieben. Selbst meine Hände fühlen sich endlich warm an. Ich mache eine kurze Pause, lege zwei Lagen Klamotten ab. Christian läuft derweil bis zum Ende der Lagune, wo er an einem Flusslauf Wasser filtert.

Ich passiere ihn später wieder und quere vor dem Yerupajá nach links in ein sanft ansteigendes Tal. Der Pfad verläuft durch hüfthohes Tussockgras und zwischen Felsen entlang, immer leicht ansteigend. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Die hohen Berge mit ihren vielen Hängegletschern scheinen von hier unten schwindelerregend steil.

Immer wieder brechen Eis- und Schneemassen donnernd von den Hängegletschern ab und rauschen grollend zu Tale. Irre. Regelrechte Eis- und Schneelawinen walzen hier von uns beobachtet die steilen Felswände der Berge hinunter.

An einem kristallklaren Fluss, der sich von einer der drei Lagunen, die sich weiter oben im Tal befinden, nach unten windet, steige ich weiter auf. Der Weg wird abenteuerlich. Wobei „Weg“ falsch ausgedrückt ist. Ich schlage mich zeitweise durch hüfthohes Gebüsch im Hang neben dem Fluss. Dieses kleine Stück hat schon fast ein wenig was von neuseeländischen Tracks. Ich hoffe Christian, der eine Weile hinter mir geht, schlägt den Weg rechts vom Fluss ein. Dort scheint das Durchkommen einfacher.

Das Gelände bleibt weglos. Bis zur zweiten der sogenannten Tres Lagunas. Die erste Lagune befindet sich hinter einer steil aufragenden Gletschermoräne. Ich werde sie später von einem hochgelegenen Aussichtspunkt sehen.

Ich lege eine Pause ein und warte auf Christian. Lustig. Das Aufsetzen seiner Trekkingstöcke und sein Schnaufen höre ich eine knappe Minute bevor ich ihn sehe… 🙂 Ist bei meinen Vorderleuten sicher aber nicht anders. Immer mal wieder treffen wir auf ein paar Hiker.\r\n\r\nWir dehnen die Pause noch etwas aus und bekommen tatsächlich auch Boris und Alisanne wieder zu sehen. Sie haben letzte Nacht an einer zweiten Campsite an der Laguna Carhuacocha gezeltet. Heute morgen müssen wir sie unbemerkt überholt haben.

Der weitere Weg an der Lagune entlang ist traumhaft schön. Die Kulisse dieses Hochtals mit den Bergen und der tiefblauen Lagune erscheint majestätisch. Christian meint, er könne sich nicht erinnern, wann er mal an einem so schönen Spot war.

Nun wird es anstrengend. Der Aufstieg zum Siula Punta Pass. Zunächst in der steilen Flanke des Berges links von uns. Insgesamt geht es rund 600 Höhenmeter in verschiedenen Steilstufen hinauf.

Der Aufstieg erfolgt weitestgehend in Geröll. Einzig hohe Tussockgräser wachsen hier an der Seite des Berges. Ich komme schnell ins Schwitzen. Mein Atem geht noch schneller. Immer wieder stoppe ich, um Luft zu holen und mich umzusehen. Ich weiß, dass in vielleicht 250 Höhenmetern nach der ersten Steilstufe der Aussichtspunkt auf die Tres Lagunas sein soll.

Die vor mir liegende dritte Lagune – sie ist türkisgrün – kann ich bald sehen, nur die zurückliegende erste – sie ist am weitesten entfernt – nicht.

Ich steige weiter auf. Es wird zunehmends steiler und steiler. Der Anstieg zehrt an meinen wie an Christians Kräften. Dann gelangen wir endlich schwer atmend auf ein kleines Plateau. Der Aussichtsfelsen! der Mirador Tres Lagunas!

Wow! Die drei Lagunen Gangrajancacocha, Siulacocha und Quesillococha liegen vor bzw. hinter uns. Links davon die eis- und schneebedeckten Berge mit ihren dunklen, steil abfallenden Felswänden, ihren Hängegletschern und tief, beinahe bis in die Lagunen hinabreichenden Gletscherzungen.

Wir legen eine lange Pause ein ehe wir uns an den weiteren Aufstieg machen. Über 300 Höhenmeter fehlen noch bis zum Pass.

Die nächste Stufe im Anstieg führt uns in einen hochgelegenen Talkessel. Über Feuchtwiesen queren wir diesen bis zu einem die letzten paar hundert Höhenmeter hinaufführenden Geröllhang.

Wir gehen diesen letzten Anstieg schnell an. Doch er ist fordernd. In dieser Höhe von weit über 4.000 Metern bedeuten hundert Meter im Aufstieg, noch dazu mit schwerem Gepäck, eine völlig andere Herausforderung als vielleicht auf 2.000 Metern. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis wir oben auf der Passhöhe ankommen.

Der Aufstieg war hart. Ich habe das Christian in selbigem zugerufen. Doch entschädigt die Aussicht wieder für alle Mühen 🙂

Der Abstieg vom Siula Punta Pass ist bedeutend leichter. Ein paar Stufen im Fels und dann laufen wir Kilometer um Kilometer über einige versumpfte Feuchtwiesen Höhenmeter um Höhenmeter hinab. Unser Ziel: ein Campspot, der wie die Bergkette heißt: Huayhuash, gelegen auf 4.350 Metern.

Vor allem in der ersten Stunde des Abstiegs balancieren wir die meiste Zeit zwischem matschigen Terrain und Sumpflöchern – immer auf der Suche nach dem am wenigsten feucht scheinenden Grund. Meine Schuhe verursachen mit jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch. Da werden Erinnerungen an Neuseeland wach 😉

Als wir nach zwei Stunden Abstieg Huayhuash erreichen bin ich ziemlich geschafft. Aber ich bin auch froh, dass wir am Morgen den Umweg über den Siula Punta Pass statt der Normaltrekkingroute auf dem Huayhuash Circuit genommen haben. Die Route über den Siula Punta Pass hat dermaßen viele schöne Aussichten geboten. Ich vermag mir nicht vorzustellen, dass die Normalroute dem auch nur im Ansatz gleichzukommen vermag…

Tag 4 Huayhuash Trek – Über den Pass Portachuelo de Huayhuash zu den heißen Quellen von Atuscancha!

Der wärmste Morgen seit Trekstart! Ich wache um halb sieben auf. Das Zeltinnere ist bereits hell erleuchtet von der Sonne, die draußen vor einem strahlend blauen Himmel scheint. Kaum eine Wolke ist zu sehen.

Nach dem üblichen Frühstück mit Wraps im Zelt stehen Christian und ich auf. Mir fährt direkt ein Schmerz ins linke Knie. Nicht der bekannte Schmerz, der mich in Neuseeland so lange begleitet hat. Diesmal ein anderer.

Ich taste mein Knie ab. Meine Kniekehle ist geschwollen. Nur links. Mist. Hab ich mir eine Sehne oder irgendwas entzündet? Soweit zumindest meine Vermutung. Also rein mit den Ibuprofen: Schmerzmittel und Entzündungshemmer in einem. Was für eine Erfindung!

Gut, dass ein vermeintlich einfacher Tag ansteht. Knapp fünf Stunden sollen es bis zu den Thermalquellen von Atuscancha sein. Und mit dem Portachuelo de Huayhuash, gelegen auf 4.780 Metern, steht nur ein hoher Pass zur Querung an.

Kurz nach acht laufen wir los. Bislang bin ich die meiste Zeit ohne Musik und Hörbücher gelaufen. Doch für den einfachen Tag heute stöpsele ich mir meine Kopfhörer ein. Ein Hörbuch: „Der Prinzessin“ von Ivar-Leon Menger. Vier spannende Erwachsenenkurzgeschichten mit einigen überraschenden Wendungen. Eines der besten Hörbücher, das ich je gehört habe.

Der Schmerz im Knie ist nach einer halben Stunde verschwunden. Oder zumindest betäubt. Ich gebe Gas. Der Anstieg zum vielleicht fünf Kilometer entfernten Pass ist nicht hart. Er ist nur dauernd. Bei der schönen Landschaft hier um den Nevado Trapecio, einen 5.653 Meter hohen Berg, fällt mir das kaum auf.

Eine Schafherde, getrieben von zwei berittenen Schäfern, kommt mit entgegen. Ich mache viel Platz. Die ängstlichen Tiere weichen dennoch weit in den Hang aus.

Die gräsernen Wiesen enden nach und nach. Die Szenerie wechselt und es wird deutlich felsiger bis ich schließlich zwischen großen Felsbrocken und in Geröll aufsteige.

Kurz vor der Passhöhe überholt mich dann von hinten eine der Eselskarawanen der geführten Gruppen. Der eine Guide, der die Esel antreibt, ruft mir von seinem Tier, auf dem er den Pass hinaufreitet, etwas auf Spanisch zu. Ich sage ihm, dass ich kein Spanisch verstehe. Er wechselt ins Englische. „Man you are very fast…“. Ich lächle und antworte ihm, dass ich auch seit knapp sieben Monate hike.

Auf der Passhöhe angekommen bietet sich zurück ein schöner Blick auf den Nevado Trapecio. Erhaben thront der vergletscherte Gipfel über dem Tal. Voraus fällt der Blick auf Teile der vergletscherten Cordillera Raura, eine weitere der hohen Bergketten hier um Huaraz.

Ich bleibe eine ganze Weile hier oben, warte auf Christian und genieße die Aussicht. Als Christian eintrifft gehen wir direkt weiter.

Der Abstieg vom Portachuelo de Huayhuash erfolgt zunächst zur auf 4.453 Metern gelegenen Laguna Viconga, einer großen, tiefblauen Lagune, die von den Bergen gleich einer Arena eingerahmt ist.

Ich schlendere den gesamten Abstieg über gemütlich und genieße die Schönheit der Landschaft um mich herum. Meine Trekkingstöcke halte ich neben mir. Es besteht keine Notwendigkeit diese einzusetzen. Der Weg ist gut und bietet wenig Stolperfallen.

Die Sonne wärmt mich angenehm und leise ist das Plätschern einiger Bachläufe und das Rauschen des Windes zu hören. Als ich eine Pause einlege, landen drei Vögel auf einigen Felsen neben mir und beginnen zu zwitschern. Was für ein friedlicher Eindruck.

Als ich die Laguna Viconga erreiche steigt der Pfad am steilen Hang neben der Lagune wieder an. Ich stöpsele meine Kopfhörer wieder ein und lege etwas Musik auf.

„One day, baby, we’ll be old…

we’ll be old and think of all the stories we could have told…“

Pfeifend zur Musik laufe ich im Hang neben der Lagune lang. Ein schöner Weg. Es macht Spaß hier zu laufen.

Am anderen Ende der Lagune warte ich mit fantastischer Aussicht ins Pumarinri Tal wieder auf Christian. Irgendwie bin ich heute wieder ziemlich schnell unterwegs. Die Musik auf dem letzten Stück sorgte wahrscheinlich auch für etwas Extraspeed.

Gemeinsam laufen wir den letzten Kilometer zu den einzigen heißen Quellen auf dem Huayhuash Trek, den Agua Termales Atuscancha.

Es ist kurz nach zwölf als wir diese erreichen. Wir haben noch unglaublich viel Zeit zur Verfügung. Genau das richtige nach den letzten beiden anstrengenden Tagen.

Wir bauen unser Zelt auf und snacken eine Maissuppe, die wir noch mit den Resten einer Packung Instant-Kartoffelbrei verdicken. Überraschend lecker. Anschließend ab in die heißen Quellen. Wie üblich: ich zuerst, Christian hinten dran. Er entspannt erst noch im Zelt 😉

Das Ausziehen im kalten Wind macht mir nichts mehr aus. Ich weiß ja, dass es danach einfach nur entspannt und eine reine Wohltat wird.

Zwei unterschiedlich warme Becken gibt es. Eines, das heiß ist, und eines das angenehm warm ist. Ich gehe zuerst in das heiße Becken. Ein brennender Schmerz durchfährt mich. Verdammt, ich hab üblen Sonnenbrand an den Waden und den Armen… Sch**** brennt das! Jeder, der schon mal mit Sonnenbrand heiß geduscht hat, kann es nachempfinden. Doch der Schmerz lässt bald nach und das Bad wird zur erhofften Wohltat.

Nach dem Essen schauen wir am Abend noch einen Film auf dem Tablet: „The Ridiciolus 6“. Eine Westernkomödie mit Adam Sandler. Typisch für die meisten Adam-Sandler-Produktionen hat der Film jede Menge bescheuerte Gags. Manchmal so bescheuert, dass sie auch wieder gut sind 😉

Um halb acht geht Christian schlafen. Ich bleibe noch wach. Letzte Nacht habe ich versucht früh schlafen zu gehen. Böser Fail. Ich lag ab eins wach und konnte für zwei oder drei Stunden nicht mehr einschlafen. Mein Körper meinte offenbar ich hätte genug ausgeruht. Das passiert mir nicht noch mal 😉

Gegen acht pelle ich mich aus dem Schlafsack, ziehe mir eine weitere Jacke über und gehe nach draußen. Es ist wie immer nach Sonnenuntergang bitterkalt. Ein eisiger Wind weht und bringt mich zum Frieren. Dennoch ist es auch wunderschön. Der Vollmond leuchtet am Firmament und taucht die Landschaft um mich herum in ein gedämpftes Licht. Wahnsinn, sieht das schön aus.

Eine halbe Stunde blicke ich in Landschaft und Nachthimmel. Dann schnappe ich mir meine Badeshorts und mein Handtuch und gehe zu den heißen Quellen. Warum nicht Landschaft und Sterne vom warmen aus betrachten. Die Gelegenheit habe ich hier sicher nur noch einmal.

Ich bin komplett allein in den heißen Quellen. Außerhalb des Wassers ist es eisig aber im Wasser traumhaft. Sternschnuppen ziehen am Nachthimmel über mich hinweg während ich die Wärme genieße…

Erst nach einer Stunde gehe ich aus dem Wasser und zurück ins Zelt. Ich bin richtig durchgewärmt als ich im Schlafsack noch ein Hörspiel, das Horrorhörspiel „Das Lufer-Haus“ von Kai Schwind beginne. Es hat was von Blairwitch Project. Es gibt keinen Erzähler, keine Musik, keine Soundeffekte – nur Tonbandaufnahmen…

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