26
Feb
2018

Tag 94 Anne Hut bis Boyle Village (29 Kilometer)

Mein erster Gedanke heute morgen: „Shit, wäre ich man weitergelaufen gestern…“ Der entspannte Nachmittag und Abend gestern mit prasselndem Kaminfeuer in der fantastisch gelegenen Anne Hut war großartig, aber heute morgen beim Aufwachen trommelte ein dermaßen heftiger Regen gegen das Dach der Hütte und Sturmböen pfeiften durch jede Ritze in den Wänden der Hütte, dass ich mir stark überlegte, ob ich heute wirklich 29 Kilometer bis nach Boyle weiterlaufen könnte, sollte und vor allem wollte…

Wäre ich gestern bis zur Boyle Flat Hut weitergelaufen, hätte ich heute nur noch 14 Kilometer vor mir gehabt, die laut Trailbeschreibung in knapp vier Stunden zu hiken wären. So aber hatte ich 29 Kilometer vor mir, für die es ganze zehn Stunden brauchen sollte. Zwar dürfte ich mich vermutlich zu den etwas schnelleren Hikern zählen, aber acht Stunden würde ich vermutlich trotzdem bis nach Boyle benötigen und das würde in diesen Konditionen richtig hart werden. Aber irgendwie war es ja müßig sich darüber zu ärgern, gestern nicht weitergelaufen zu sein. Ich drehte mich einfach nochmal um. Bei diesen Konditionen draußen vor der Hütte trieb mich heute morgen jedenfalls erstmals nichts aus dem Schlafsack.

Eine gute Stunde später – es war so 7 Uhr – raffte ich mich dann doch auf. Während ich noch in Gedanken überlegte, mich einigen meiner Mithiker, die gestern bereits beschlossen hatten einen Ruhetag in der Anne Hut einzulegen, anzuschließen, ließ der Sturm urplötzlich nach und auch der Regen schwächte sich ab. So lief ich dann eine gute Stunde später in Regenjacke doch noch los, mit der vagen Hoffnung, dass der Sturm und ein stärkerer Regen nicht plötzlich wieder einsetzen.

Zuvor hatte ich mich noch an einer Frühstücksvariante probiert, die mich möglichst auch in der nächsten Woche bis zum Arthurs Pass zu einem kleinen Einkaufsladen durchbringen sollte: Instantnudeln im Wrap. Denn nach dem gestrigen, ersten Erdnussbutterwrap seit meinem Virusinfekt vor drei Wochen musste ich feststellen, dass der Appetit auf diese Art des Frühstücks echt nicht wiedergekommen ist. Ich zwang mir den Wrap gestern tatsächlich nur runter und habe irgendwie nicht vor dies tagtäglich zu wiederholen. Nach Alternativen suche ich nun ja, da sich in meiner Resupplybox, die ich nach Boyle gesandt hatte, für die Sektion bis Arthurs Pass zum Frühstück ganze 18 Wraps, einige Gläser Erdnussbutter und zwei Packungen getrocknete Nüsse und Früchte befinden. Da ich aber mehr als genug warme Mahlzeiten und insbesondere Instantnudeln habe, probierte ich heute eben mal die Instantnudel-Wrap-Variante. Nicht mein Favorit zum Frühstück, aber das würde für eine Woche schon gehen.

Als ich loslief, legte auch der Regen gerade eine Pause ein. Vom Nasswerden hielt mich das jedoch nicht ab, denn der Track verlief von der Anne Hut weiter ins Tal hinein, querte unzählige Wasserläufe und verlief Kilometer um Kilometer durch hüft- bis schulterhohe und vor allem vom Regen pitschnasse Gräser. Da ich meine Regenhose nicht an hatte, war ich bereits nach wenigen Kilometern auf diesem etwas zugewuchertem Track unterhalb der Hüfte bis auf die Buchse durch. Ich dachte abermals: „Mist, wäre ich das doch gestern gelaufen…“

Nach gut anderthalb Stunden verließ ich die grasigen Ebenen und es ging in trockenen Wald hinein. Ich stieg hier knapp 200 Höhenmeter auf den ebenfalls bewaldeten Anne Saddle, der auf 1.136 Metern liegt, auf und auf der anderen Seite wieder in das Boyle River Valley hinab. Von hier waren es noch etwa 21 Kilometer bis Boyle. Die ersten acht Kilometer des Tages waren also geschafft. Meine Motivation für die restlichen Kilometer heute: im Outdoor Education Centre sollte es Pizza geben. Und Pizza ist tatsächlich das erste, auf das ich auf einem Hike immer Appetit bekomme. Klar, ich habe mich auf meinem Hike gerade auf der Nordinsel kreuz und quer durch Neuseelands Burgerlandschaft gefuttert, aber das war vor allem dem Umstand geschuldet, dass es dort deutlich mehr Burger- als Pizzaläden gab 😉

Im Boyle River Valley verlief der Track zunächst für viele Kilometer durch eine ähnlich steppenähnliche Landschaft wie am Vortag, wenn hier auch für die Vervollkommnung des gestrigen Eindrucks die Weite im Tal fehlte. Schön anzusehen war es dennoch, zumal sich nach und nach das Wetter auch weiter besserte und den Blick in die zuvor wolkenverhangene Landschaft erlaubte.

Auf den letzten Kilometern verlief der Track viel durch Wald. Ebenso verengte sich das Tal später und der Track zog sich nah am Lauf des Boyle River im Hang entlang Richtung Boyle hinunter. Hier im Wald hatte ich eine ähnliche Erfahrung wie zuletzt in den Richmond Ranges: ein kleiner neugieriger Vogel folgte mir für eine zeitlang auf dem Track, umflatterte mich mehrfach und kam ganz nah, als ich ihn mit einigen Pfiffen lockte, an mich heran. Letztlich landete auch dieser wie die Fantails in den Richmond Ranges auf meinem Trekkingstock.

Am Nachmittag erreichte ich dann das Boyle Village, das eigentlich nur aus dem Boyle River Outdoor Education Centre besteht. Hierhin hatte ich meine Resupplybox geschickt und hier wollte ich in einer einfachen Cabin unterkommen ehe ich morgen auf die Sektion zum Arthurs Pass starten würde. Helen vom Staff begrüßte mich direkt freundlich, gab mir meine Resupplybox und, womit ich gar nicht mehr gerechnet hatte, die Gelegenheit noch ein zwei frische Dinge bei ihr zu erwerben bzw. bis morgen früh mitbringen zu lassen. Sie würde nach Hanmer Springs fahren und könnte dort noch was besorgen. Damit waren Salami und Käse mein und das Frühstücksproblem gelöst 🙂 und auch die Pizza gab es noch: Marke Meatlovers. Besser hätte der Tag nicht enden können. Die Cabin, die ich mir nur mit David, mit dem ich auch die letzten Tage in den Hütten seit St. Arnaud untergekommen war, teile, verspricht darüber hinaus einen ruhigen Schlaf für die heutige Nacht.

Viel mehr zu berichten gibt es ansonsten nicht, außer, dass mir den halben Tag über mein rechtes Knie wieder schmerzte. Ich hatte nach knapp achtzehn Kilometern und der Querung einer Hängebrücke über den Boyle River eine Pause eingelegt und als ich diese beendet hatte, bekam ich urplötzlich für den Rest des Tages wieder deutliche Schmerzen im Knie. Ich hoffe das ist kein böses Omen für die nächsten Tage und ich kriege das kurzfristig wieder in Griff.

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