13
Feb
2018

Tag 81 Middy Creek Hut bis Hacket’s Hut (19 Kilometer)

Sandflies! Keine zehn Sekunden konnte man irgendwo stehenbleiben. Sie gingen an alles, was nicht von Kleidung bedeckt war: Hände, Arme, Gesicht und Beine. Am schlimmsten sind die Bisse auf den Händen und an den Fingern. Da juckt es besonders schlimm und nach wie vor fängt es so richtig an zu jucken, wenn man abends im Schlafsack liegt und eigentlich zur Ruhe kommen will. Solange man in Bewegung ist, lassen einen die Biester echt in Ruhe, aber sobald man stehenbleibt, fallen sie mitunter in Scharen über einen her…

Am Morgen nach dem Frühstück bin ich wieder rein in meine nassen Socken und Schuhe – ich fürchte, das wird hier die nächsten Tage wieder zur Gewohnheit werden – und dann bin ich um 9 Uhr auf den Track gestartet. Die Nacht hatte ich bescheiden geschlafen. Ich hatte am Vorabend unzählige Sandflybisse davongetragen und diese hatten bereits in der Nacht wie verrückt gejuckt. Am Morgen, ehe ich startete, zeigten sich die Biester auch direkt wieder aggressiv. Ich schlang mein Frühstück, das aus Beerenmüsli bestand, daher auch ziemlich hinunter ehe ich mich auf den Weg machte. Auf dem Track ging es zunächst über eine einfache Drahtseilhängebrücke, die mächtig schwankte, über den Pelorus River hinweg auf die andere Flussseite. Diese einfachen Brücken, auf die nur eine Person darf und auf denen man letztlich auf einem Drahtgeflecht den Fluss quert, sind schon irgendwie abenteuerlich. Je länger sie sind, desto mehr schwanken sie bei jedem Schritt.

Dann verließ ich den River Track und es ging in die Berge hinein. Ein Anstieg auf knapp 900 Höhenmeter in etwa fünf Kilometern Strecke stand mir zunächst bevor. Nun begannen sie also: die harten Bergbesteigungen der Südinsel und die unzähligen Höhenmeter, die ich hier abzureißen hätte.

Der Wald, durch den ich aufstieg, war nicht mehr dieser subtropische Regenwald mit dichtester Vegetation, hohen Farnen und Farnbäumen sowie Lianen, die von den Bäumen hingen. Der Bergwald hier war von Laubbäumen und großen Felsen bestimmt und im Vergleich zum subtropischen Busch nur wenig dicht. Der Anstieg zehrte irgendwie sehr an meinen Kräften. Womöglich war ich heute nicht zu hundert Prozent in Form und der immer noch schwere Rucksack tat sein übriges dazu.

Nach zweieinhalb Stunden – für mich war es eine gefühlte Ewigkeit – war ich dann endlich oben an der Rocks Hut angelangt. Ich machte eine kurze Pause, trug mich ins Gästebuch ein, füllte meine Wasservorräte neu und dann machte ich mich auf über einige Bergkuppen, die allesamt auf knapp über 1.000 Höhenmetern lagen, in Richtung Browning Hut, die knapp elf Kilometer und vier Stunden entfernt war.

Nach einer weiteren Stunde setzte ich mich auf einen umgestürzten Baum und machte eine längere Lunchpause. Der Track war etwas einfacher geworden, auch wenn ich nur drei Kilometer seit der Rocks Hut geschafft hatte. Weitestgehend verlief der verwurzelte Track hier oben im Wald auf dem Grat zwischen den Bergkuppen. Der Track schlängelte sich zwischen riesigen Felsbrocken, die hier oben auf dem Berggrat lagen, entlang.

Irgendwie war ich heute tatsächlich nicht in Form. Ich war ganz schön kaputt und mit einer Riesenvorfreude ging ich gerade nicht in die Richmond Ranges. Meine Motivation, die ich noch vor zwei Tagen bei der Rückkehr auf den Te Araroa hatte, wich heute nach und nach dem Wunsch zuhause zu sein. Ich dachte sehr daran wie es jetzt wäre mit meiner Hündin Finja einfach spazieren zu gehen, mit ihr zu spielen oder einfach mal wieder auf dem Sofa zu faulenzen. Ich hoffe meine Motivation kommt morgen zurück und verdrängt dieses Gefühl des Plattseins nach mittlerweile zweieinhalb Monaten fast ununterbrochenen Hikens wieder.

Um 14.30 Uhr erreichte ich mit knapp über 1.000 Metern den höchsten Punkt des Tages. Hier geriet der Track zu einem wahren Hindernislauf. Vor längerer Zeit musste es hier auf der Bergkuppe mal alle Bäume durch einen Sturm umgelegt haben. Äste, Stämme, ganze Wurzelwerke. All das lag über den Track in einem völligen, teils meterhohen Chaos verteilt. Zwar waren aus den größten Stämmen, die über den Track lagen, einzelne Stücke herausgeschnitten worden, so dass man diese Stämme ohne Weiteres passieren konnte, aber unzählige kleinere Bäume und Wurzelwerke großer Bäume versperrten immer wieder den Weg und mussten von mir mühsam umklettert werden.

Der teils steile Abstieg zur Browning Hut und dann weiter zur Hacket Hut erfolgte zunächst über offenes, alpines Gelände mit geringer Vegetation und felsigem Boden.

Dann ging es wieder in den Wald hinein, der bis zum Totara Saddle hin abfiel, wo der Pelorus River Track und der Track über die Berge, den ich genommen hatte, wieder zusammengeführt wurden.

Im Abstieg überholte ich Karima. Ich fühlte mich etwas besser, dennoch würde ich froh sein, wenn ich die Hacket’s Hut am Abend erreichen würde. Der Tag hat mich schon frühzeitig ziemlich geschlaucht. Diese Tracks, auf denen man mit vielleicht zwei Kilometern die Stunde vorankommt, zehren echt an den Kräften und ich merkte das Gewicht des Rucksacks heute extrem. Die Schultergurte drückten dermaßen auf meine Schultern. Mehr Gewicht auf die Hüfte verlagern, machte es aber auch nicht gerade besser.

Nach einer weiteren halben Stunde steilen Abstiegs vom Totara Saddle erreichte ich um 16.30 Uhr die Browning Hut. Ich trug mich wie auf der Rocks Hut zuvor kurz ins Gästebuch ein, dann ging ich direkt weiter. Bis zur Hacket’s Hut am Beginn des Richmond Alpine Track sollten es noch knapp anderthalb Stunden sein. Ich war echt froh, dass der Track nun besser wurde.

Am Browning Stream gab es die Option, dem High Water oder dem Low Water Track zu folgen. Das Wetter war gut, der Strom sollte, auch wenn er ziemlich dahinschoss nicht sonderlich tief sein. Ich entschied mich also die Low Water Variante zu gehen, zumal diese ein wenig Erfrischung auf den verbleibenden Kilometern versprach.

Ein wenig abenteuerlich war die Route allerdings schon. Das Wasser stand mir dann doch teilweise knietief und an einigen Stellen musste ich über einige Felsen klettern, um durch den Strom zu gelangen. An wieder anderer Stelle erschwerte ein kürzlicher Erdrutsch das Vorankommen. Dort hinüberzugelangen war ein kleiner Balanceakt so knapp sieben Meter über den Felsen im Fluss. Aber es ging alles gut. Ich hatte hier auf der Low Water Route damit sogar richtig Spaß und fühlte mich durch das kalte Wasser bei den Flussquerungen auch erstmals richtig frisch heute.

Um 18 Uhr erreichte ich dann die Hacket’s Hut. Ich war ziemlich froh hier zu sein. Von hier aus startet morgen der Richmond Alpine Track, der fünf bis acht Tage dauern wird und mit mehreren steil zu erklimmenden Berggipfeln über 1.500 Metern, ausgesetzten Graten in alpinem Gelände, verschiedenen Kletterstellen und einigen schwierigen Flussfurtungen eine wirkliche Herausforderung werden dürfte. Das dürfte ähnlich hart werden wie in den Tararua Ranges auf der Nordinsel, mit 94 Kilometern Gesamtstrecke des Tracks nur bedeutend länger.

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