26
Jun
2019

Tag 5 Cape Wrath Trail – Zunächst geht es weiter! Von Ratagan nach Maol Bhuidhe (28 Kilometer)

Nach dem gestrigen Restday bin ich heute wieder auf den Trail aufgebrochen. Das Weiterlaufen ist keine endgültige Entscheidung, aber zumindest hab ich den Abbruch erstmal vertagt. Heute bin ich dann bei Wahnsinnswetter nach Maol Bhuidhe aufgebrochen. 28 Kilometer, zwei Bergpässe und stellenweise sehr schwieriges Terrain. Aber es hat sich gelohnt. Der Tag war fantastisch und die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Hier nun mein Tagesbericht…

Ich wache um acht auf. Ich hab ziemlich fest geschlafen in dem 10er-Bunk-Room des Hostels. Unglaublich. Er war bis auf ein Schlafplatz belegt und niemand hat geschnarcht!

Draußen ist ein strahlend blauer Himmel und auch für die nächsten Tage ist recht gutes Wetter angekündigt. Voll stark! Das schreit ja irgendwie danach, dass ich weiterlaufe. Die Schmerzen im Fuß sind nicht weg, aber zumindest besser. Ich habe gestern keine Schmerzmittel genommen, um zu sehen, ob es besser wird. Ob es so bleibt, wenn ich meine Hikingboots anhabe und die ersten Kilometer auf Asphalt zurücklege? Abwarten 🙂

Erst mal zum Frühstück! Für ein paar Pfund bekomm ich hier im Hostel ein kontinentales Frühstück. Ich brauche unbedingt Kaffee 🙂 Die Croissants werd ich auch nicht verachten!Den Restday gestern habe ich total entspannt in dem Hostel verbracht, welches in dem winzigen Dörfchen Ratagan schön am Fjord gelegen ist. Ich habe meinen Fuß geschont und meine ersten Blogartikel hochgeladen. Davor hab ich einige Stunden damit verbracht meine Website wieder zum Laufen zu bringen. Irgendwie gab es da technische Schwierigkeiten und sie war eine Zeit lang nicht erreichbar. Nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt habe, für den Restday, aber so ist es halt manchmal, wenn man nen Blog führt.

Mit Dylan hab ich auch noch geschrieben. Moment, Dylan? Jaaaa, wer meinen Te Araroa Blog gelesen hat, weiß vielleicht wen ich meine. Ich hab in Neuseeland eine Weile zusammen mit Dylan gehikt und er ist doch tatsächlich in Schottland gewesen. Leider haben wir uns um einen Tag in Fort William verpasst. Verdammt schade! Hätte ich gewusst, dass er da ist, wäre ich doch glatt später auf den Trail gestartet.

Die ersten Kilometer auf Asphalt um das Ende des Fjords herum gehen gut. Der Schmerz ist kaum zu spüren und das Wetter ist echt bombastisch. Die Sonne brutzelt richtig. Nicht die 40 Grad, die gerade in Deutschland sind, aber die will man beim Hiken ja auch nicht unbedingt haben.Das Wasser im Fjord liegt ruhig da und die Silhouette der Berge spiegelt sich darin. Schön anzuschauen!

Als ich nach den ersten vier Kilometern eine kleine Siedlung passiere, kommt mir eine Hündin entgegengelaufen. Sofort dreht sie sich auf den Rücken. Alles klar, kurze Pause und ein paar Streicheleinheiten verteilen 🙂 Ich setze mich ins Gras und sie legt sich fast in meinen Schoß. Da ist aber jemand kuschelbedürftig…

Nach weiteren vier Kilometern hab ich die acht Asphaltkilometer für heute geschafft. Nun geht es wieder in die schottische Wildnis. Soweit fühlt sich alles ganz okay an,nur ab und an ein leichter Schmerz. Der Tag Pause hat offenbar gut getan. Noch schnell mit einer Freundin telefonieren, die Geburtstag hat, und schon ist der Handyempfang auch wieder weg…

Der Track ist gut. Er verläuft zwischen Heidekraut, hohen Farnen und Gräsern ins Tal hinein, ab und an Rittersporn, Schafgarbe und Löwenzahn – sowie kleine gelbe und violette Blumen, deren Namen sicher jeder kennt nur ich nicht. Hab’s halt nicht so mit Namen von Blumen. Libellen fliegen um mich herum. Langsam wird mir warm in der Sonne. Schweißtropfen perlen mir von der Stirn.

Da wir gerade noch bei Blumen waren: die schottische Distel hab ich übrigens noch gar nicht gesehen und beim Löwenzahn dachte ich unwillkürlich an Peter Lustig. Lebt der eigentlich noch? In seinem Bauwagen? Würde mich nicht wundern, wenn der Bauwagen hier irgendwo in der Wildnis steht und Peter Lustig davor herumspringt und Löwenzahnsamen in die schottische Landschaft pustet. Der nach und nach zunehmenden Menge an Löwenzahn am Rande des Pfads bin ich ihm zumindest auf der Spur.

Über eine hölzerne Brücke quere ich den Abhainn Chonaig Fluss. Ich vermute, dass der Track so gut ausgebaut ist, weil er zu den nur wenige Kilometer entfernten Falls of Glomach führt. Die Wasserfälle zählen zu den höchsten in Großbritannien. Ich bin gespannt. Ich werde direkt daran vorbeilaufen.

Der Track geht in einen leicht ansteigenden Forstwirtschaftsweg über, dem ich für einige Kilometer folge. An dessen Ende folgt wieder ein Trail. Der Löwenzahn wird weniger. Schade, offenbar verliere ich die Spur zu Peter Lustig.

Der schmale Track geht eine Weile steil hinauf in Richtung des Passes Bealach na Stroine. Ich schwitze wie verrückt und keuche. Pausenlos tropft mir der Schweiß von der Stirn. Zumindest wenn ich ihn nicht abwische und mit einer flüchtigen Handbewegung die Tropfen dann von meinem Handrücken in die Landschaft schleudere.

Nach den Libellen unschwirren mich nun Fliegen. Ich kann doch nicht so stinken nach einem Tag. Meine letzte Dusche war immerhin gestern. Vergeblich suche ich etwas Schatten.

Der Track steigt Kilometer um Kilometer weiter und weiter an. Bis auf 540 Meter. Über einen Sattel wechsele ich in ein anderes Tal. Die Sonne brennt weiterhin und ich muss zusehen, dass ich genug trinke. Mein Hacken meldet sich langsam auch wieder mehr, aber es ist auch ohne Schmerztabletten noch erträglich.

Fast vier Stunden bin ich nun unterwegs. Ich mache an einer Stelle mit schöner Aussicht über das Hochland eine Pause und höre auf einmal ein Schnauben hinter mir. Ich drehe mich um, sehe aber nichts. Dann wieder. Ich blicke auf und tatsächlich: hoch über mir sind einige Rehe in den Klippen. Gleich fünf Stück zähle ich.

Ich beobachte sie eine Weile und sie starren regungslos zurück. Dann schnappe ich mir noch ein ziemlich geschmolzenes Snickers bevor es weitergeht. Dumme Idee, es ins Deckelfach meines Rucksacks zu tun, wo die Sonne nur so draufbrennt. Aber ich liebe es ja total Snickerspapier auszulecken. Schmecken tut es also dennoch.

Über den baumlosen Inverinate Forest (ja, richtig gelesen) erreiche ich im Abstieg die Falls of Glomach. Ich stehe an deren Spitze und vor mir tut sich eine gewaltige Schlucht auf, die die tosende Kraft des Wassers in den Fels gesprengt hat.

Unglaublich. 113 Meter fällt das Wasser hier. Es ist wahnsinnig beeindruckend. Ich gehe knapp 50 Meter tiefer in die Schlucht hinein, um Sicht auf den Wasserfall zu bekommen, während der Trail später oberhalb der Schlucht verläuft. Hier mache ich Mittag ehe ich auf den Trail zurückkehre. Ich hab mir in der Jugendherberge ein Sandwich mit Salami und Käse geschmiert und noch einen Apfel mitgenommen.

Um halb drei breche ich wieder auf. Noch knapp 14 Kilometer schätze ich. Dort findet sich wieder eine der Mountain Bothys. Ja schon klar, ich frage mich selbst ja auch, wann ich die erste Nacht im Zelt verbringe auf diesem Trail. Gerade bevorzuge ich die Hütten einfach weil abends solche Unmengen an Midges fliegen und solange da Hütten in der Nähe und dann auch noch schön gelegen sind 😉

Von den Morgen- und Abendstunden abgesehen ist es mit den Midges übrigens gar nicht so schlimm. Klar ich bekomm immer mal wieder einen Biss ab, wenn ich Pause mache, aber es hält sich zu meinem Glück doch sehr in Grenzen. Sobald man in Bewegung ist folgen sie einem ohnehin nicht mehr.

Nachdem ich wieder zum Pfad aufgestiegen bin, steige ich auf knapp 80 Höhenmeter hinab. Im steilen Hang neben der Schlucht rutsche ich einmal richtig weg, lande aber zum Glück mit dem Hintern auf dem Trail. Es bleibt das einzige Mal im Abstieg, der mich unendlich viel Zeit kostet. Fast eine Stunde für anderthalb Kilometer Luftlinie.

Unten im Tal quere ich den River Elchaig auf einer hölzernen Brücke, ehe es auf einer breiten Schotterstraße durch Buchenwald und am Loch na Leitreach vorbei geht.

Ich laufe über einige Schafweiden und befreie ein schon aus der Ferne verzweifelt blökendes Scottish Blackface-Lamm aus dem Weidezaun, in dem es sich mit seinem Kopf und den Hörnern verfangen hat. Vermutlich mehr ängstlich als dankbar flitzt es zu seiner Mutter zurück und nuckelt vor Aufregung an dessen Euter. Diese Drahtweidezäune sind doch totaler Sch… die mögen zwar billig sein aber ich hab das jetzt schon so häufig gesehen, dass sich kleine Lämmer darin verfangen haben. Ich will gar nicht wissen wie viele Lämmer auf abgelegenen Weiden elendig da drin verenden…

Am Talschluss endet die Schotterstraße und es geht auf einen steinigen Track rauf. Abermals steigt der Trail nun an, erneut hinauf auf knapp 500 Meter.

Nach einer knappen Stunde bin ich oben. Gottseidank. Ich hab jetzt schon 1.200 Höhenmeter im Aufstieg und vielleicht 24 Kilometer Distanz in den Beinen und langsam werde ich echt kaputt. Der Anstieg war noch mal hart. Ich war am Keuchen wie verrückt.

Oben stehen ein paar Ruinen, in deren Schatten ich kurz Pause mache und Wasser aus einem Bachlauf trinke. Meine Wasservorräte sind im Aufstieg ausgegangen. Von hier sind es nun noch etwa viereinhalb Kilometer, die es aber auch nur bergab geht. Dennoch merke ich wie kaputt ich bin. Das Gelände ist wieder sumpfiger und meine Sohlen brennen. Aber: the best time of the day is not so far away. Ich meine das Ausziehen der Schuhe 😉 Anschließend kommt übrigens the second best time of the day: eine Tüte Weingummis. Oh mein Gott, freu ich mich auf den letzten Kilometern hier auf die Weingummis! Ist das eigentlich eine anerkannte Sucht?

Auf einmal hör ich ein gequältes Piepsen. Ich kann nicht genau ausmachen, wo es herkommt, aber es folgt mir eine ganze Weile. Hätte ich Gummibären statt Weingummi dabei, würde ich vermuten, dass diese vor Angst wimmern. Aber da es das nicht sein kann, tippe ich, dass es ein Vogel ist der mir folgt.

Als ich um eine Hügelkuppe biege sehe ich sie endlich: die Bothy von Maol Bhuidhe. Wunderschön gelegen mit Blick auf einen See und die Berge. Mir entfährt ein „Endlich!“. Einen Kilometer ist sie vielleicht noch entfernt und ihr Anblick motiviert ungemein.

Ich erreiche die Bothy, die 1841 gebaut wurde und eine der abgelegensten in ganz Schottland ist, um 18:30 Uhr. Neun Stunden hab ich damit gebraucht. Sie ist komplett leer und von innen sogar richtig schön. Ein Superplatz zum Schlafen.

Ich ziehe zunächst meine Schuhe aus und mache mein Lager. Anschließend gehe ich runter zum Fluss. Ich will meine Füsse kühlen. Da ich erwarte, das all das Wasser im Fluss vermutlich augenblicklich verdampft, was es dann merkwürdigerweise doch nicht tut, fülle ich vorher meine Wasservorräte auf und hole mir Wasser zum Kochen.

Es gibt Pasta! Diesmal in einer Speck-Sahne-Sauce. Nun sortiere ich noch meine Fotos vom heutigen Tag aus und dann ist es Zeit für Trailkino! Ich hab ja mein Tablet dabei und mir einige Filme darauf runtergeladen. Ich sehe „Keepers – Die Leuchtturmwärter“. Ein Hollywoodstreifen, der auf einer unbewohnten Insel in Schottland spielt und sich um das sogenannte Geheimnis der Flannan Isles dreht als drei Leuchtturmwärter spurlos veeschwanden. Mal sehen wie er ist!

Euch allen schon mal eine gute Nacht!

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