28
Dez
2017

Tag 34 Waipu River bis Pahutea Hut (29 Kilometer)

Ein weiterer langer Tag mit über 10 Stunden. Meine Fresse, bin ich froh angekommen zu sein. Erst verlaufe ich mich und verliere dadurch ordentlich an Zeit, dann lege ich einen Zwischenspurt ein und zum Schluss geht’s auf den bislang höchsten Gipfel des Trails. Ich bin ziemlich alle und einfach nur glücklich heute nicht mehr laufen zu müssen…

Die Nacht hatte ich geschlafen wie ein Murmeltier obwohl mit Einbruch der Nacht ein ziemlich starker Wind aufgezogen ist, der auch am heutigen Morgen noch stark und vor allem kühl wehte. Offensichtlich war es die ganze Nacht hindurch so gewesen, denn mein Zelt war von innen wie von außen komplett trocken als ich aufwachte.

Durch den kalten Wind war es wahnsinnig frisch heute morgen und erstmals zog ich mir direkt nach dem Aufstehen meinen Hoodie über, den ich auch beim Loslaufen um 8 Uhr morgens noch nicht auszog. Aufgestanden war ich zuvor um 6:15 Uhr. Eine wild schnatternde Kanadagans samt Gänsefamilie im Schlepptau hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Wer weiß wie lange ich ohne deren Schnattern wohl noch geschlafen hätte.

Ansonsten war ich heute morgen ziemlich gemütlich unterwegs. Ich genoss mein Frühstück ausgiebig und im Zelt mit Aussicht auf den Fluss ehe ich meine Sachen dann schließlich zusammenpackte. Ich dachte, dass ich mir etwas Zeit nehmen sollte. Der Tag würde ohnehin hart genug werden mit dem hügeligen Gelände auf dem Kapamahunga Walkway und dem folgenden wirklich bergigen ersten Teil der Überschreitung des Mount Pirongia.

Kurz vor dem Aufbruch hatte ich am Morgen noch meinen letzten Schluck Wasser getrunken. Mein erstes Tagesziel stand daher fest: Wasser finden. Aus dem Waipu River hatte ich mein letztes Wasser gehabt, aber so richtig traute ich dem Fluss trotz Wasserfilter nicht als dass ich damit meine Wasservorräte für den gesamten Tag auffüllen wollte. Zudem sollte es in fünf Kilometern einen Bergbach geben.

Der erste Teil des Trails führte mich zunächst noch weiter am Waipu River entlang ehe ich diesen dann über eine Weide, die vor Jungbullen quasi nur so überquoll, verliess. Die Tiere waren ziemlich neugierig und verfolgten mich im gemächlichen Tempo bis ich schließlich über den Weidezaun gelangte. Dann ging es für einige Kilometer auf Asphalt durch lieblich hügelige Farmlandschaften und auf die „Old Mountain Road“, die mich direkt zum Kapamahunga Walkway führen sollte.

Auf dem Weg dorthin füllte ich nach den gelaufenen fünf Tageskilometern an dem erwarteten Bachlauf meine Wasservorräte und legte meinen Hoodie ab. In dem hügeligen Gelände der ersten Kilometer war mir trotz des weiterhin kühl wehenden Windes doch recht schnell warm geworden. Ansonsten lief es sich bislang gut heute. Die lange Etappe vom Vortag schien sich noch nicht auszuwirken.

Ehe ich dann wieder aufbrach, trank ich mich am frischen kühlen Wasser des Baches nochmal richtig satt. Ich schätzte, dass ich die aufgefüllten 2,5 Liter fast in Gänze später für den vier bis fünf Stunden dauernden Anstieg auf den Mount Pirongia brauchen würde.

Das Angebot des vorbeikommenden Roger, dem Besitzer der Bar bei Whatawhata, mich die ersten 200 Höhenmeter mit seinem Auto hochzufahren schlug ich entsprechend meiner Devise, alles zu laufen, aus. Er war gerade dabei einige der Hiker, die bei ihm übernachtet hatten, darunter u.a. Dan, nach oben zu bringen.

Die 200 Höhenmeter machte ich zu Fuß über die gewundene Bergstraße relativ schnell. Von dort wechselte ich in hoch gelegenes Farmland auf den Kapamahunga Walkway, der mich über das hügelige und teils schroff bergige Vorland des Pirongiamassivs führen sollte. Links von mir waren die Kühe zu hören, an denen ich weiter unten im Tal vorbeigelaufen war, rechts von mir blökten die Schafe, durch deren Weide ich gerade lief.

Aufgrund schlechter Ausschilderung und des Umstandes, dass ich meine Position auf dem Trail erst deutlich zu spät über meine GPS-gestützte App nachprüfte, machte ich auf dem Kapamahunga Walkway zunächst einen ordentlichen Umweg und bestieg einige Extragipfel über knapp 300 Höhenmetern, die möglicherweise früher mal zum Streckenverlauf des Te Araroa gehörten. Zumindest vermutete ich das anhand der orangenen Marker, die hier zu finden waren, die man offensichtlich nicht entfernt hatte und die nun Verwirrung stiftend in eine andere Richtung als in die zu gehende wiesen. Naja, wenn ich eins kann, dann ist es offenbar unnütze Dinge zu finden und ihnen einen Nutzen beizumessen. Egal, ich hatte meinen Spaß. Der Abstieg von dem Gipfel, den ich zuletzt erklommen hatte, gestaltete sich spannend, wenn er auch nicht ganz ungefährlich war. Ich musste über einige Klippen bei pfeifendem Wind hinabklettern. Aber solche Sachen liebe ich ja und kannte ich auch von meinen Bergwanderungen in Irland bereits. Unten blöken die Schafe und ich laufe oben auf einem ausgesetzten Grat entlang.

Nachdem ich die Klippen hinabgestiegen war, kletterte ich über einen Stacheldrahtzaun und gelangte letztlich wieder auf den eigentlichen Trailverlauf. Das Ganze hatte mich knapp eine Stunde gekostet, aber es war ein netter erster Sidetrip mit schöner Aussicht und mittlerem Adrenalinfaktor.

Im kühlen Schatten eines Waldes, durch den ich später von diesen ersten kleinen Bergen wieder auf ein Höhenniveau von unter 50 Meter abstieg, machte ich eine Mittagspause. Dank meines kleinen Ausflugs war es bereits 12 Uhr und ich seit vier Stunden unterwegs für gerade mal zwölf Trailkilometer. Meine Zeitplanung für heute war damit etwas durcheinandergewürfelt. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, ob ich den Gipfel des Pirongia, der schon früh in der Ferne zu sehen war, heute noch in Angriff nehmen könnte, zumal mein linker Fuß seit einer knappen Stunde schmerzte. Ich entschied, das später zu entscheiden. Nach der Pause hatte ich noch neun Kilometer bis zu der am Fuße des Mount Pirongia gelegenen Campsite, von der der Aufstieg aus erfolgen sollte. Soweit die Schmerzen in meinem Fuß das zuließen, wollte ich etwas Gas geben, um zumindest die Option auf den Aufstieg zu haben.

Hinter dem Wald gelangte ich abermals auf Weideland mit unzähligen grasenden Schafen, die bei meinem Erscheinen wie wild auseinander stoben.

Danach ging es über einen Straßenabschnitt bis zum Nikau Walk, der letztlich bei der Campsite am Fuße des Berges endete. Mein Fuß fühlte sich etwas besser an – die halbstündige Pause hatte wohl gut getan -, so dass ich die neun Kilometer in gerade mal anderthalb Stunden abriß. Um 14 Uhr war ich also am Berg und wagte dann nach kurzer Pause und Stärkung mit einem Müsliriegel den knapp acht Kilometer langen Aufstieg auf dem Tahuanui Track bis auf den 959 Meter hohen Gipfel.

Der Track führte direkt in subtropischen Wald und war anfangs unheimlich gut zu laufen, da er in gutem Zustand war. Zwar war der Track abermals völlig verwurzelt, aber weder gab es umgestürzte Bäume noch ein solches Dickicht, wie ich sie in den anderen Wäldern bislang erlebt hatte. Ich vermutete, dass dies dem zuzuschreiben ist, dass der Mount Pirongia ein beliebtes Ziel ist und der Track daher nicht nur für einige wenige hundert Te Araroa-Hiker in Schuss gehalten wird. Die Steigung, die im Schnitt immerhin nur über knapp 10 % betrug, war anfangs sehr angenehm zu laufen. Da hatte ich in den anderen Wäldern mit teilweise bis zu 30 % Steigung auch bereits anderes erlebt. Kurzum: das Ganze ließ sich gut an anfangs.

Weiter oben ab einer Höhe von 600 Metern wurde der Track jedoch auffällig schwieriger und auch schweißtreibend. Einige umgestürzte Baumriesen versperrten den Track und waren mühsam zu umgehen oder zu umklettern, der über den Weg ragende Bewuchs wurde streckenweise dichter und der Anstieg wurde mit dem ersten erreichten Nebengipfel des Mount Pirongia auch teils deutlich steiler. Ich begann in relativ kurzen Abständen kurze Pausen zu machen. Eine längere Pause wollte ich wegen der spürbar kühleren Luft hier oben nicht einlegen, um, teils nassgeschwitzt wie ich war, nicht auszukühlen.

Ab 800 Höhenmetern erlaubte die weniger dicht stehende Vegetation aufgrund des deutlich felsigeren Untergrundes und der hier oben aufgrund des vermutlich permanenten Windes eher niedrig wachsenden Sträucher, Büsche, Farne und Bäume nach und nach einige sehr schöne Ausblicke in die Landschaft.

Um 18 Uhr war ich dann oben auf dem Gipfel des Pirongia. Das letzte Stück war ein stetes Auf und Ab in beschwerlichem Gelände über einige Nebengipfel und kostete mich daher ordentlich Zeit, aber auch Kraft. Ich hatte somit die ganzen vier Stunden für den Aufstieg gebraucht. Die Aussicht von der Aussichtsplattform hier oben war dafür fantastisch. Ich schoss eine Vielzahl an Fotos, dann machte ich mich an die letzte halbe Stunde zur Pahutea Hut: einer schön im Bergmassiv gelegenen Hütte des Department of Conversation, die ich mit meinem Backcountry Hut Pass, den ich noch vor dem Trail in Auckland erworben hatte, umsonst nutzen dürfte. Hier würde ich heute übernachten.

Als ich um 18:30 Uhr ankam, war ich ziemlich hinüber. Ich unterhielt mich erst noch eine Weile mit Jens, einem dänischen Hiker, dann machte ich mir gleich die doppelte Portion Instandnudeln mit scharf gewürztem Thunfisch. Anschließend trafen noch Dan und Leon, den ich zuletzt vor einigen Wochen gesehen hatte, ein. Die beiden hatten sich heute morgen von Pete hochbringen lassen. Irgendwo auf dem Weg hatte ich sie dann trotz meines zusätzlichen Ausflugs unbemerkt überholt.

Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen und es bläst ein eiskalter Wind. Die Sonne ist zuvor in einem fantastischem Rot untergegangen und die Hütte hier oben ziemlich sturmumtost. Ich bin erstmals in Neuseeland sicher, dass ich meine warmen Klamotten nicht umsonst eingepackt hatte.

Zum Schluss des Artikels habe ich wieder einige weitere Bilder von heute für euch:

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