5
Apr
2018

Tag 132 Telford Range Summit bis Birchwood Station (33 Kilometer)

„Enjoy the sights and the smell of New Zealands largest Farm Station.“ So hatte es in den Trailnotes geheißen. Okay, vom Geruch habe ich nicht wirklich viel mitbekommen. Der kräftige Wind hat am heutigen Tage wohl jeden Farmgeruch hinfortgeblasen. Oder unser „Hikersmell“ hat das Ganze übertüncht. Wie auch immer, geruchsmäßig gab es jedenfalls nicht so viel zu „genießen“. Aber die Aussicht war sehr schön. Sowohl am Morgen vom Gipfel in der Telford Range, von dem ich mit Anna startete, als auch später auf dem langen und zehrenden Farmtrack im Gegenwind über die Mount Linton Station…

Ich hab mal wieder richtig schlecht geschlafen und auch fast den Sonnenaufgang verpasst, den wir uns hier vom letzten hohen Berg des Te Araroa in der Telford Range anschauen wollten. Ich hab mich ständig im Schlafsack hin- und hergewälzt. Erst lag ich auf der einen Seite, dann auf der anderen. Dann hab ich mich auf den Rücken gedreht, dann wieder auf die Seite. Irgendwann auf den Bauch usw. Dabei hab ich meinen Schlafsack natürlich auch total verdreht. Warum das Ganze? Es war einfach richtig kalt und ich bin daher ständig wachgeworden. Ich schätze deswegen hab ich mich auch so hin- und hergedreht. Irgendwann zog ich in der Nacht auch nach und nach meine Thermounterwäsche an, dann meine Socken, dann meinen Hoodie. Am Morgen fror ich aber immer noch. Das würde wieder halb tiefgefrorene, unförmig mit dem Messer aus dem Glas herausgestocherte Nutellawürfel am Morgen auf den Wraps geben…

Den Sonnenaufgang hab ich fast verpasst, da ich das letzte Mal bevor das Rumgewälze im Schlafsack wieder losging und ich in diesen richtig schlechten Halbschlaf verfiel, um 4 Uhr auf mein Smartphone geschaut hatte. Als es dann Zeit zum Aufstehen war, ging ich davon aus, dass es sicher noch keine 5 Uhr war. Anna hatte ihren Wecker auf 6:10 Uhr gestellt, aber ihr Wecker hatte nicht geklingelt, so dass auch sie nicht aufstand und ich mein Gefühl bestätigt sah. Zufällig schaute ich dann kurz vor 6:30 Uhr dann doch nochmal auf mein Smartphone. Draußen war es glücklicherweise noch halbdunkel. Wir hatten also noch etwas Zeit. Ich sagte Anna Bescheid und dann ging es allmählich raus in die Kälte und auf den Gipfel.

Die Sicht war großartig. Es hatte nur einige Wolken und wir waren zur rechten Zeit oben. Leider ging die Sonne hinter einer etwas höheren Kuppe auf als die, auf der wir standen, aber es war dennoch eine schöne Sicht. In diesen frühen Morgenstunden ist die Landschaft immer in ein ganz anderes, magisches Licht getaucht.

Wir blieben so um eine halbe Stunde oben ehe wir wieder die in die bewaldete Senke abstiegen, in der wir unsere Zelte am Vorabend aufgebaut hatten. Ich stieg zum Frühstück nochmal direkt rein in meinen Schlafsack und japp, es gab tiefgekühlte Nutellawraps ehe der Zeltabbau begann und wir dann gegen 8:15 Uhr den Abstieg angingen.

Es wehte wie in den Tagen zuvor ein kräftiger Wind. Ich schätze, der wird bis zum Trailende in Bluff wohl auch mein ständiger Begleiter sein. Immerhin treffen die Winde vom Ozean hier erstmals seit der Antarktis auf Land und Berge.

Die Aussicht beim Abstieg über den Grat des Berges war oftmals nochmal richtig zum Genießen. Dann erreichten wir nach knapp vier Kilometern die einfache Telford Campsite, die wir an sich gestern ansteuern wollten: eine dieser einfachen Toilettenkabinen, etwas flacher Grund und ein Bachlauf für Frischwasser. Mehr hatte es hier nicht. Mehr brauchte es aber auch nicht. Dennoch: ich war trotz Eiseskälte in der Nacht froh, oben am Gipfel gezeltet zu haben. Definitiv nochmal ein schöner Abschluss für den letzten hohen Gipfel des Trails.

Nachdem wir unsere Wasservorräte an dem Bachlauf aufgefüllt hatten, was mit dem Wasserfilter wie immer ein paar Minuten brauchte, ging es auf den Mount Linton Station Farmtrack. Knapp 26 Kilometer über die größte Farm Neuseelands durch jenes hügelige Gelände, auf das wir vom Gipfel des Berges in der Telford Range zuvor noch geblickt hatten. Da warteten zwar einige 4WD-Tracks auf uns, aber auch der ein oder andere Weg quer durchs Farmland nebst Auf- und Abstieg um mal 250, dann wieder um 100 Höhenmeter usw.

Ich hatte nicht viel von dem Track erwartet. 26 Kilometer durch Farmland klingt auf dem Papier eben wenig spannend. Aber durch die vielen Hügelkuppen, die man bestieg oder an deren Seite wir entlangwanderten, war das Ganze überraschend aussichtsreich und oftmals richtig schön anzuschauen.

Die erste Zeit waren die Hügel und Wiesen hier noch kaum genutzt. Später ging es durch einige größere Schafherden hindurch und, was mich sehr überraschte, über ganze Hügel, die voll mit Rüben bepflanzt waren. Nen Rübenacker ist mir als Norddeutscher durchaus nen Begriff, aber Rübenberge waren mir irgendwie neu.

Nach 15 Kilometern legten wir einigermaßen windgeschützt unterhalb einer größeren Felsformation unsere Lunchpause ein. Wir hatten nun etwa die Hälfte des Tages geschafft. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Tag später noch recht hart und lang werden würde.

Da ich tatsächlich Handyempfang an dieser Stelle hatte, konnte ich übrigens mal alle meine neuen Mails und Whatsapp-Nachrichten checken. Normalerweise dauert das ja immer eine ganze Weile auf der Südinsel, aber hier ganz im Süden hat es langsam doch immer öfter Empfang, vermutlich durch die Nähe zur besiedelteren Küste.

Die ersten fünf Kilometer nach der Lunchpause lief ich recht flott ab. Ich war über einen dieser Rübenberge vor Anna vorausgeilt während ich ein spannendes Hörbuch mit dem Titel „Die Windsängerin“, welches ich gestern Abend begonnen hatte, zu Ende hörte. Anschließend jedoch wurde es ein ziemliches Durchbeißen. Meine Füße brannten mehr und mehr. Zudem schmerzte mein Nacken vom Rucksack und der teils starke Gegen- und Seitenwind erschwerte das Vorankommen deutlich. Hinzu kam, dass der Track auf dem Farmgelände immer öfter teils deutlich vom GPS-Track abwich und so einige Extrakilometer abzuwickeln waren. Fünf oder sechs Mal lief ich Umwege und entfernte mich teils mehr als einen Kilometer von dem eigentlichen Trackverlauf. Anna selbst, die mich in meinen Pausen meist einholte, wunderte sich auch sehr darüber. Die vielen Umwege schlugen auf die Motivation. Sie schien sich ebenso durchbeißen zu müssen wie ich.

Erst gegen 18 Uhr verließen wir kurz vor Einbruch der Abenddämmerung das Farmgelände. Ich hatte hier am Ende des Farmtracks auf Anna gewartet und nun galt es für uns nur noch zur Birchwood Station zu gelangen, einer weiteren Farm und in all dem Privatland, welches uns hier umgab, der einzige Spot im Umkreis von 15 Kilometern, wo Camping gegen eine kleine Bezahlung von 10 Dollar erlaubt war. Sie hatten bei der Farm auch extra für Te Araroa-Hiker eine einfache Hütte, in der die Übernachtung 20 Dollar kosten sollte, aber dies wollten wir uns sparen.

In der Abenddämmerung gelangten wir an der Birchwood Station an. Anna hatte Sarah und Dean, die die Farm betreiben, in der Mittagspause angerufen und angefragt, ob wir kommen könnten. Sarah hatte ihr dann eine Wegbeschreibung zu der Hütte zugesandt und einige Kilometer vom Mount Linton Station Farmtrack entfernt erreichten wir diese dann, ziemlich abgekämpft und mit richtig schmerzenden Füßen. Irgendwie hatten wir beide das Gefühl nach den teils anstrengenden letzten Tracks schon wieder seit einer Woche ohne Pausentag auf den Beinen zu sein. Dabei waren es gerade mal drei Tage…

Die Hütte war eine geräumige, aber einfache Hütte mit Veranda. Das Beste: auch wenn wir zelteten, dürften wir diese nutzen. Und drinnen hatte es nicht nur ein paar Sessel in einem kleinen Aufenthaltsraum mit Kamin sondern sogar ein richtiges, wenn auch etwas runtergekommenes Bad mit einfacher Dusche. Geil, und das für 10 Dollar. Allein die Sessel, von denen auch auf der Veranda welche waren, waren diese umgerechnet 6 € bereits wert in unserem Zustand.

Nachdem ich draußen auf der Veranda bei Ankunft erstmal in einen der Sessel gefallen bin wollte ich gar nicht mehr aufstehen und am liebsten direkt hier im Sessel einen Restday einlegen. Mache ich natürlich nicht, morgen geht es mit Anna weiter 😉

Während es draußen zu stürmen begann nachdem wir unsere Zelte aufgebaut hatten, genossen wir die Annehmlichkeiten der Hütte und vor allem eine warme Dusche, wenn auch wie sehr oft in Neuseeland ohne vernünftigen Wasserdruck. War trotzdem unglaublich gut. Es hatte daneben hier sogar richtiges Licht und Strom, den ich zum Aufladen meiner Elektronik nutzen konnte. Besser hätte es uns an diesem Abend, an dem wir irgendwie sehr gezeichnet an der Hütte ankamen, wohl nicht treffen können. Windgeschützt, im Warmen (zumindest bis es ins Zelt geht), eine heiße Dusche, gemütliche Sessel zum Sitzen, Strom, …

Mal sehen wie es morgen läuft. Ich bin für heute schonmal sehr froh, dass wir heute bis zur Birchwood Station gekommen sind. Das war ein langer Hike. Aber wir haben auch mal wieder über 30 Kilometer geschafft. Nun sind es nur noch sechs Tage bis Bluff…

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