3
Mrz
2018

Tag 99 Goat Pass Hut bis Arthurs Pass (14 Kilometer)

Nach dem Sturz gestern habe ich heute direkt nachgelegt. Und diesmal ging ich in die vollen: kopfüber einen Hang hinunter. Meine Schadensbilanz: ein linker Arm, der sich bislang nicht mehr beugen lässt, ein Ellenbogen, der eine golfballgroße Schwellung aufweist, kleinere Schürfungen an der Hand und meine Spiegelreflexkamera hat es zum Teil auch zerlegt. Aber ich beginne mal von vorne…

Heute morgen bin ich nach dem langen und anstrengenden Hike gestern erst sehr spät aufgestanden und habe den Tag, der zunächst gewohnt zum Wetter der vergangenen Tage verregnet war, noch gemütlicher angefangen. Ich war von gestern echt noch etwas platt und kam daher nur langsam in Tritt. Aber das war okay, denn bis zum kleinen Bergort Arthurs Pass hatte ich nur etwa 14 Kilometer und knappe 5 Stunden Hikens vor mir. Da ich in Arthurs Pass keine Unterkunft vorausgebucht hatte, hoffte ich heute morgen in der kleinen örtlichen Jugendherberge, dem YHA Mountain House, unterkommen zu können. Es war zwar Samstag, aber wenn ich Glück hätte, würde ich noch ein Bett ergattern können.

Erst um 9 Uhr brach ich auf. Ich hatte meine vom Vortag noch triefend nassen und entsprechend richtig kalten Klamotten komplett wieder angezogen. Ich fror daher anfangs als ich auf den Track startete, aber irgendwie wollte ich aufgrund der heute anstehenden River Crossings, die abermals nasse Klamotten versprachen, auch nicht mit meinen trockenen Ersatzklamotten starten. Das wäre schlichtweg sinnbefreit gewesen – zumindest bis zum ersten Fluss 😉

Auf dem Track gelangte ich bereits nach wenigen hundert Metern Wegstrecke auf den Goat Pass. Die Passhöhe, die auf insgesamt 1.070 Höhenmetern liegt, war noch dicht von Wolken eingehüllt. Die hohen Gipfel, die enge Passhöhe, die niedrig stehenden Wolken: das alles war eine fantastische Szenerie.

Bis zum Goat Pass hatte es auch weiterhin geregnet doch während ich begann, die Passhöhe auf der anderen Seite über den Mingha Track am gleichnamigen Fluss abzusteigen, rissen die Wolken auf einmal auseinander und ein blauer Himmel zeigte sich.

Der Abstieg auf der Ostseite war im vollkommenen Gegensatz zu dem schweren Aufstieg gestern auf der Westseite des Passes über den Deception River am Anfang schön angenehm einfach zu laufen. Vielfach erleichterten hölzerne Stege den Weg durch das zuweilen sumpfige Terrain. Die Erleichterung des Tracks ging zwar nicht so weit, dass über die zu furtenden Flüsse Brücken gespannt waren, aber dennoch war der Track anfangs einfach zu gehen. Später wurde aus ihm allerdings einer dieser verwurzelten Waldtracks neben dem Fluss mit einigen steilen Auf- und Abstiegen, die man über Luftwurzeln und Bäume, mit deren Hilfe man sich hinabließ oder hinaufkletterte, bewältigte. Das war nun deutlich schwerer zu laufen und benötigte ebenso mehr Zeit.

Kurz hinter dem Mingha Bivy, in dem ich eine Nachricht für Dylan, Karima, Eric, David und Wietse im Hüttenbuch hinterlassen hatte, rutschte ich zurück auf dem Track im Abstieg auf einem nassem Stein aus und stürzte kopfüber voran den Track runter. Im Sturz dachte ich noch: Sche… das wird böse enden… Normalerweise rutscht man im Sturz ja regelmäßig auf dem Hosenboden runter, aber hier stürzte ich tatsächlich mit dem Kopf vornüber voran. Nur ganze zwei Handbreit kam ich mit meinem Gesicht vorm steinernen Flussbett des Mingha River zum Halten. 3 Meter war ich gestürzt und was hatte ich für ein Glück gehabt. Mein rechter Fuß hatte sich im Hinabrutschen in einer steinernen Spalte verkeilt und so meinen Sturz recht abrupt aufgehalten ehe ich im Flussbett aufkam. Dennoch hatte es meine Kamera, die ich um den Hals trug, kurz ins Wasser des Flusses getaucht und ich schlug mir, was zumindest heute viel schlimmer wirken sollte, meinen linken Ellbogen böse an. Sonst lief alles halbwegs glimpflich ab, außer das mein Objektivdeckel der Kamera im Fluss versank.

Umständlich versuchte ich mich wieder aufzurappeln. Gar nicht so einfach, denn ich lag bzw. hing ja kopfüber in schräger Hanglage über dem Flussbett und mein Rucksack drückte mich weiter nach unten. Irgendwann hatte ich es aber geschafft und setzte mich etwas aufgewühlt auf einem Stein an der Uferseite des Flusses nieder. Ich betastete meinen Arm. Gebrochen hatte ich mir offensichtlich nichts. Danach galt meine Sorge meiner Kamera. Ich hoffte, dass diese noch funktionieren würde. Der erste Test war vielversprechend, aber ich nahm mir vor, später in Arthurs Pass alle Funktionen in Ruhe auszuprobieren.

Tja das waren nun zwei unglückliche Stürze in zwei Tagen. Ich hoffe nicht, dass daraus eine Serie wird.

Als ich nach der kurzen Pause, in der ich erstmal richtig durchgeatmet hatte, weiterlief, begann mein Ellbogen und Arm nach einer knappen halben Stunde unheimlich zu schmerzen. Das Adrenalin ließ nach, der Schmerz aber blieb und verstärkte sich. Ich konnte meinen linken Arm kaum noch beugen und vor allem nicht mehr belasten. Aufgrund dessen kam ich in vielen Abschnitten, in denen ich mich und meinen Rucksack an Luftwurzeln oder mit Hilfe von Bäumen neben dem Track hochwuchten oder hinabsteigen musste nur sehr langsam voran. Mist, das war offensichtlich eine richtig ordentliche Prellung an meinem linken Ellenbogen und bei einer Pause einer guten Stunde nach dem Sturz offenbarte sich schon direkt eine immer größer Schwellung.

Unter einigen Schmerzen lief ich den Track nach der Pause bis zum nur noch fünf Kilometer entfernten Highway ab. Ich war froh, dass die letzten Kilometer des Tracks nun neben dem Fluss nur leicht abfallend und auf einem gut begehbaren Pfad verliefen. Auf den schwierigen Passagen im Wald zuvor war ich mit nur einem nutzbaren Arm zwar nicht gänzlich aufgeschmissen, aber unendlich langsam unterwegs gewesen.

Als ich den Highway erreicht hatte, folgte ich diesem für einige Kilometer in Richtung Arthurs Pass. Die letzten Kilometer trampte ich tatsächlich das erste Mal in Neuseeland. An meinem Ellbogen hatte sich mittlerweile eine walnussgroße Schwellung entwickelt und ich konnte den Arm nur noch gestreckt halten. Ein älteres Paar, das auf dem Weg zur Westküste nach Westport war, hatte mich freundlicherweise mitgenommen. Moment! Trampen?! Ja ich weiß, ihr fragt euch jetzt wie das übereinkommt mit meinem Plan den Te Araroa komplett zu laufen. Aber ich kann Entwarnung geben. Das Örtchen Arthurs Pass liegt einige Kilometer abseits vom Trail. Ich trampte also keine Trailkilometer 😉

In Arthurs Pass angekommen traf ich total überraschend direkt auf Danelle und David, wenig später sogar auf Karima. Die drei hatten aufgrund des Regens und des hohen Wasserlevels der Flüsse an der Morrison Footbridge den Track vor dem schweren Deception River Track verlassen und waren bis nach Arthurs Pass getrampt.

Die Jugendherberge, in der ich unterkommen wollte, war vollkommen ausgebucht aber ich kam zusammen mit dem anderen dann bei einer kleinen, sehr einfachen Backpackerunterkunft namens The Sanctuary unter. Bill, der Eigentümer, begrüßte mich unheimlich freundlich. Er lebt tatsächlich für die Te Araroa-Hiker und versucht ihnen den Aufenthalt bei sich so angenehm wie möglich zu machen.

Was meinen Arm angeht: der wurde am Nachmittag noch schlimmer. Ich konnte ihn ja bereits gar nicht mehr beugen. Die Schwellung am Ellbogen wurde jedoch größer und größer. Aufgrund der starken Prellung war sie mittlerweile auf Golfballgröße angewachsen. Ich hoffte sehr, dass das schnell wieder werden würde und die Wirkung der Ibuprofen, die ich am Nachmittag nahm, kurzfristig einsetzen würde, denn jede Bewegung, für die ich gewöhnlich mit zwei Händen bzw. Armen hantiert habe, wurde für mich völlig umständlich. Da waren zum Beispiel das Absetzen des Rucksacks, das Wechseln meiner Klamotten, die warme Dusche in der Unterkunft oder ganz banal: das Essen mit Messer und Gabel. Das alles erforderte einen beugbaren Arm. Letztlich konnte ich meinen linken Arm schmerzfrei ja aber nur ausgestreckt von mir halten. Als ich mir in der örtlichen Bar am Nachmittag Fish and Chips bestellte, gab ich es daher auch direkt auf, mit Messer und Gabel essen zu wollen. Keine Chance, da ich den linken Arm dafür hätte beugen müssen oder alternativ, was sicher lustig ausgesehen hätte, den Teller im Abstand meines ausgestreckten linken Armes hätte vor mich stellen und so essen müssen.

Nachmittags kümmerte ich mich um meinen Blog. Selbst das war irgendwie nicht einfach. Da ich nur mit einer Hand tippen konnte während mein linker Arm irgendwie ausgestreckt auf einer Sofalehne lag, ging auch das elendig langsam.

Abends ging ich dann mit Danelle, Karima, David und einem Neuseelandreisenden namens Greg, den wir im Hostel kennenlernten, noch in die einzige Bar in Arthurs Pass. Boah, was freute ich mich über die Spicy Pepperoni-Pizza und, total überraschend, ein Pint meines Lieblingsbieres: irisches Kilkenny!

Meine Kamera hat es übrigens teilweise zerlegt. Die gute Nachricht vorweg: ich kann noch fotografieren! Die schlechte: die Hälfte der Knöpfe des Kamerabodys funktioniert nicht mehr. Ich kann keine Fotos mehr löschen, diverse Einstellungen nicht mehr vornehmen usw… Ich hoffe echt der Kamerabody hält bis Bluff durch. Danach werde ich mir einen neuen besorgen.

Was meinen Arm angeht: vielleicht liegt es an den Ibuprofen, aber ich konnte ihn am Abend trotz unvermindert großer Schwellung ohne Schmerzen wieder bis in einen rechten Winkel beugen. Ich werde sehen wie es morgen ist. Entweder steht ein langes Trampen zum nächsten Arzt an oder ich laufe einige wenige Kilometer auf dem Trail weiter. Den Plan mit der Besteigung des Avalanche Peak als Sidetrip morgen kann ich abschreiben. Die Besteigung des Avalanche Peak erfordert es teilweise zu klettern. Das kann ich mit dem Arm vergessen, egal wie er sich morgen anfühlt.

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