16
Feb
2018

Tag 84 Rintoul Hut bis Top Wairoa Hut (22 Kilometer)

Kennt ihr noch diesen Film mit Brad Pitt und Cate Blanchett, in dem Brad Pitt einen Greis spielt, der im Laufe seines Lebens immer jünger wird? „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ heißt er. Haha, und nach dem heutigen Tag – ich hatte heute ja Geburtstag – glaube ich, dass ich vielleicht Benjamin Button-like nicht älter sondern jünger werde. Und für diese Theorie spricht durchaus mehr als die Namensverwandschaft zwischen Button und Knopf. Denn ich war heute trotz eines Jahres älter in Topform und hikte in der ersten Tageshälfte in fünf Stunden einschließlich Pausen mal eine Strecke ab, für die ganze neuneinhalb Stunden vorgesehen sind…

Am Morgen bin ich trotz eines Telefonats mit der Heimat – ich hatte hier in der Rintoul Hut ja Empfang – und einigen Glückwunschnachrichten, die ich beantwortete, halbwegs früh loskommen. Um 8.15 Uhr war ich auf dem Track, nachdem ich zuvor auch noch ausgiebig mein Beerenmüsli gefrühstückt und einige Gratulationen von meinen Mithikern erhalten hatte. Wenn wir St. Arnaud in ein paar Tagen erreichen, freue ich mich schon darauf, mit ein paar Bieren mit ihnen anstoßen zu können.

Geschlafen hatte ich die Nacht, nachdem ich noch den letzten Teil meines Krabat-Hörbuchs gehört hatte, übrigens richtig schlecht. In der Hütte, die mit sechs Hikern voll belegt war – weitere fünf zelteten draußen – hatte außer Karima und mir jeder geschnarcht. Und zwar so richtig. Dem war selbst mit meinen Ohrstöpseln nicht beizukommen, so dass ich ernsthaft in der Nacht darüber nachdachte über das erste Paar Earplugs noch nen weiteres ins Ohr zu stopfen. Hab ich natürlich nicht gemacht. Kann ja nicht immer unvernünftig sein.

Die 36 Jahre, die ich mittlerweile alt bin, sind übrigens trotz obiger Theorie angesichts meines länger werdenden Bartes und der darin enthaltenen weißen Stellen wohl nicht zu leugnen. Aber ich fühle mich gut und vor allem jung. Heute fühlte ich mich vielleicht wie Mitte 20 und nur das zählt 😉

Dem ersten Teil des Tracks folgte ich durch Wald bis zum Anstieg auf den Purple Top Mountain, einen weiteren Berg über 1.500 Meter, der seinen Namen vermutlich der lila-rötlich gefärbten Blockfelder verdankt, die sich von dessen Spitze die Hänge des Berges hinunter erstrecken.

Nach den ersten hundert Metern Anstieg durch Wald erfolgte der weitere Anstieg in offenem, felsigen Gelände. Ich wanderte hier auf kurzen Block- und Geröllfeldern bis zur Spitze hinauf ehe ich den Berg dann über den Westgrat, dem Te Araroa weiter folgend, abstieg.

Kurz bevor ich die Baumgrenze erreichte und wieder in den weniger aussichtsreichen Wald eintauchte, machte ich noch eine Viertelstunde Pause und genoss nochmal den traumhaften Fernblick. Das hier war wirklich Neuseeland wie man es sich vorstellt.

Anschließend spurtete ich regelrecht durch den Wald hinab und einige Hügelkuppen wieder hinauf. Ich überholte Karima, die eine halbe Stunde vor mir gestartet war, und ebenfalls Troy, der gestern noch überraschend in der Rintoul Hut angekommen war.

Bis zur Tarn Hut sollten es von der Rintoul Hut ganze fünf Stunden sein. Ich lief das tatsächlich trotz meiner Pause in nicht mal drei Stunden und machte kurz hinter der Tarn Hut dann auf der Hälfte eines weiteren Anstiegs um 200 Höhenmeter eine weitere Pause von 15 Minuten. Ich aß und trank etwas und dachte darüber nach, dass ich es in dieser Kondition vielleicht bis zur Top Waiora Hut gelangen könnte heute. Dann könnte ich morgen eventuell bis zur Porters Creek Hut gelangen und die Richmond Ranges eventuell am Sonntag bereits abschließen. Dann würde ich dem Zyklon am Montag zumindest in den Bergen aus dem Weg gehen.

Nachdem ich nach der Pause den Anstieg vollendet hatte, ging es von 1.235 Höhenmetern hinunter durch den Wald auf 395 Höhenmeter bis zur Mid Wairoa Hut. Der erste Teil des Abstiegs verlief noch relativ flach. Das einzige Erschwernis stellten einige vom Sturm gefällte Bäume dar, die quer über den Track lagen. Auf dem letzten Kilometer zur Wairoa Hut ging es dann jedoch steil hinunter.

Die Hütte erreichte ich schließlich nachdem ich noch eine Hängebrücke über den rauschenden Wairoa River passiert hatte um 13.15 Uhr. Damit hatte ich nie gerechnet als ich heute morgen gestartet bin. Nach gerade mal fünf Stunden einschließlich zweier Pausen von jeweils einer Viertelstunde hatte ich eine Strecke gelaufen – und gelaufen war ich zwischendurch tatsächlich mal – für die eigentlich über neun Stunden Hikens vorgesehen waren. Das war Speed-Hiking bis hierhin. Damit hab ich mir persönlich dann doch irgendwie bewiesen, dass ich es auch ein Jahr älter noch drauf habe… der Duracelhase lief wieder 😉

In der Hütte traf ich auch wieder auf Foxy, die gestern noch bis zur Tarn Hut gelaufen war. Da ich so früh dran war, legte ich eine längere Pause ein und kochte mir ein paar Nudeln mit Thunfisch. Erst um 14.30 Uhr brach ich wieder auf, Richtung Top Wairoa Hut.

Das Wetter war weiterhin gut. Es hatte seit Tagen nicht geregnet und ich könnte in diesen Konditionen die acht anspruchsvollen River Crossing bis zur Top Wairoa Hut sicher gut bewältigen. Zudem könnte ich so schon mal den ersten Teil des Anstiegs auf den 1.615 Meter hohen Mount Ellis, dessen Gipfel ich dann hoffentlich morgen erreiche, bewältigen.

Der Track verlief im steilen Hang neben dem Wairoa River, dessen türkisblaues Wasser Richtung Tal hinabrauschte. Entweder gab es einen schmalen, verwurzelten Pfad oder ich stieg inmitten von Wurzeln im Hang oder über Felsen und an Klippen steil auf und ab während sich teilweise nur Zentimeter von mir der Abgrund in den bis zu 40 Meter tiefer liegenden, rauschenden Fluss auftat. Der Nervenkitzel war hier auf jeden Fall garantiert und da ich auf jeden einzelnen Schritt und sicheren Halt achten musste kam ich nur sehr langsam voran.

An sich waren es nur 450 Höhenmeter bis zur Top Wairoa Hut, die sich auch noch auf fast sieben Kilometer Strecke verteilten, aber das war hier an Höhenmetern letztlich deutlich mehr. Der Track stieg andauernd im Steilhang neben dem Fluss um 30 oder 40 Meter an und fiel dann wieder auf Flussniveau ab. Das kostete wahnsinnig viel Kraft und abermals machte ich insgesamt deutlich über 1.000 Höhenmeter im Aufstieg und daneben über 1.500 Höhenmeter im Abstieg.

Das erste Crossing des Wairoa River verlief übrigens gut. Der Fluss strömte zwar schnell und kräftig dahin, aber ich kam in dem knapp über die Knie reichenden Wasser noch gut durch.

Nach zwei Stunden und vier Kilometern seit der Mid Wairoa Hut legte ich eine Verschnaufpause ein. Von hier waren es noch drei Kilometer und nun begannen all die weiteren Querungen des Wairoa River. Diese glückten mir ebenfalls alle gut. Das Wasser strömte nicht deutlich über die Knie hinaus und so ließ sich das trotz teils schneller Strömung noch händeln.

Der Anstieg im Canyon neben dem Wairoa River wurde dann nach und nach immer steiler und der Fluss selbst stürzte mehr und mehr donnernd und in Wasserfällen zu Tal. Das war hier wirklich ein wunderschöner, aber schwieriger und nicht ungefährlicher Track, für den ich viel Zeit brauchte. Hatte ich für die ersten 16 Kilometer des Tages noch fünf Stunden gebraucht, brauchte ich für die letzten sechs Kilometer fast vier weitere Stunden. Damit war ich zwar ebenfalls schneller als die Trailbeschreibung vorsah, aber bei weitem nicht so wie in der ersten Tageshälfte. Ich war doch gehörig platt als ich die Hütte erreichte.

Nachdem ich zunächst meine nassen Schuhe und Socken losgeworden war, machte ich mich zur Feier meines Tages direkt über die letzte mir verbliebene Tüte saurer Gummibären her. Eigentlich wollte ich sie aufteilen auf die kommenden Tage, aber nach ner Viertelstunde hatte ich die Tüte echt leergemacht 🙂

Die Top Wairoa Hut, die eine der DOC-Standardhütten mit sechs Schlafplätzen, Kamin und Wasser vom Fluss ist, teile ich mir mit Eric und Justin, zwei kanadischen Te Araroa-Hikern, welche die Südinsel begehen, Tina, einer australischen Te Araroa-Hiķerin, Foxy sowie Karima. Troy und Witse sind auch noch hier oben angekommen.

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