15
Feb
2018

Tag 83 Slaty Hut bis Rintoul Hut (13 Kilometer)

Was für ein kalter Morgen. Na gut, klar, ich war ja auch auf 1.400 Metern. Aber es versprach später warm zu werden. Nicht eine Wolke war am blauen Himmel zu sehen. Perfekte Bedingungen also für den schwierigsten Part der Richmond Ranges und die Besteigung des höchsten Gipfels des Alpine Tracks. Es war ein wahnsinnig toller Tag mit unglaublichen Weitblicken in die Landschaft der Richmond Ranges und die dahinterliegenden Gebirgszüge…

Ich hatte die Nacht nicht gut geschlafen und ziemlich oft wach gelegen. Die vielen Sandflybisse an meinen Händen, Armen und Beinen haben wie verrückt gejuckt. Aber es ging nicht nur mir so. Jedes Mal wenn ich wach lag, hörte ich von irgendwo anders in der Hütte ebenfalls Kratzgeräusche von einer von Sandflybissen gepeinigten Hikerseele. Nachdem mich dann ein Western Weka, der gegen 6.30 Uhr vor der Hütte laut rumschrie, vollends aus meinem unruhigen Schlaf gerissen hatte, stand ich auf und brach gegen 8 Uhr auf. Ich fühlte mich heute trotz des unruhigen Schlafes besser und deutlich motivierter. Mein Rucksack näherte sich auch langsam seinem Normalgewicht und wog nicht mehr so schwer auf meinen Schultern und meiner Hüfte.

An der Flanke des Sleaty Peak entlang ging es durch offenes alpines Terrain auf einen unbenannten Gipfel von 1.538 Metern. Dann ging es einige hundert Meter steil hinab ehe der Track dann über den Gipfel des Ada Flat auf 1.420 Metern einen Bogen beschrieb und zum Old Man Summit auf 1.514 Höhenmetern aufstieg.

Es wehte ein starker, frischer Wind heute. Auf dem Sattel, von dem aus ich zum Old Man über den Ada Flat aufstieg, querte ich wieder solch einen unheimlichen Wald wie gestern. Die grüngrauen Moose an den Bäumen und in den Büschen wehten geisterhaft im Wind. Irgendwie erinnerte mich dieser Wald und jener gestern an das eine Hörspiel, das ich vor einiger Zeit gehört hatte. Es handelte vom Aokigahara Forest in Japan, dem Selbstmordwald, und so stellte ich ihn mir irgendwie vor.

Auf dem Gipfel des Old Man machte ich nach etwa zweieinhalb Stunden eine längere Pause. Ich aß und trank etwas und wartete auf Dylan und Wietse.

Die Sicht war heute fantastisch. Bis zum Horizont erstreckten sich die Berge. Mein Blick wanderte über jene Berge und Gebirgszüge, von denen ich einige in den nächsten Tagen und Wochen noch besteigen und durchqueren würde.

Der Abstieg vom Old Man Summit zum Abzweig zwischen der Besteigung des Mount Rintoul und der Old Man Hut verlief teilweise im blanken Fels mit kurzen Kletterpassagen und unerwartet vielen beschwerlichen kleinen An- und Abstiegen. Das war vermutlich ein erster Vorgeschmack für die Besteigung des Little Rintoul sowie des Mount Rintoul. Allein der Abstieg vom Mount Rintoul würde später mit 50 Prozent Gefälle erfolgen: 400 Meter Abstieg auf 800 Meter Strecke bis zur Rintoul Hut.

Der Anstieg auf den Little Rintoul erfolgte auf den ersten 150 Höhenmetern noch steil durch einen weiteren dieser geisterhaften Wälder. Hinter der Baumgrenze wartete dann ein Anstieg von weiteren 200 Höhenmetern im losen Fels auf mich und die anderen. Erstaunlicherweise ließ sich das hier zumindest im Aufstieg auf losem Geröll und großen Felsbrocken einfacher laufen als unten im Wald, wenn es auch ebenfalls gehörig steil war.

Oben angekommen machten Karima, Dylan, Wietse und ich eine längere Pause, bei der wir die großartige Aussicht bis hin zum Meer auf der einen Seite und auf die endlosen Gebirgszüge zur anderen Seite bestaunten. Ein wahnsinnig guter Spot für ein Lunchbreak, zumal es sich hinter einigen Felsen sogar halbwegs windgeschützt saß. Nach einer knappen dreiviertel Stunde, in der ich mir mein restliches Stück Käse, etwas Salami, einige Kekse und einen Schokoriegel einverleibt hatte, brachen wir dann alle nach und nach wieder auf. Nun stand der Abstieg vom Little Rintoul, der Aufstieg zum Mount Rintoul und der Abstieg von diesem zur Rintoul Hut an.

Der Abstieg vom Little Rintoul war irre steil auf losem Geröll, mittleren und größeren Felsbrocken und mit kurzen Kletterpassagen. Aber sowas machte mir Spaß. Das war ebenfalls mein Terrain und ich war trotz des schwierigen Geländes schnell unterwegs.

Der Aufstieg auf den Mount Rintoul, der durch selbiges Terrain verlief, machte ebenfalls Spaß, wenn er auch kräftezehrender und länger war als gedacht.

Der Gipfel des Mount Rintoul war die reinste Mondlandschaft. Und was für eine fantastische Aussicht es abermals hier oben hatte. Nur bitterkalt war es. Ein eiskalter, kräftiger Wind, vor dem es diesmal kein Verstecken gab, blies hier. Er spielte mit den Wolken, die am Hang heraufzogen, wirbelte diese durcheinander, so dass sie in Fetzen zerstoben.

Als Karima, Wietse und Dylan nach mir ebenfalls den Gipfel erreichten, machten wir noch eine kurze Pause ehe wir dann gemeinsam den Abstieg begannen. Dieser verlief zunächst leicht abfallend auf dem Gipfelplateau und dann durch loses Geröll steil nach unten. Das war wirklich absolut mein Gelände hier. Ich „surfte“ auf dem losen Geröll regelrecht nach unten bis zur Baumgrenze und wartete hier auf die anderen. Die dachten vermutlich ich wäre bescheuert, aber ich hatte definitiv Spaß 🙂

Anschließend folgten noch weitere 200 Höhenmeter steiler Abstieg durch den Wald bis zur Hütte, die ich um 17 Uhr erreichte. In der Hütte fanden sich bereits James, Adam und Helen, drei weitere Te Araroa-Hiker aus Australien bzw. England. Die Hütte mit sechs Betten, die eine tolle Aussicht bis zum Meer hat, würden wir damit definitiv heute vollkriegen, zumal noch weitere Hiker am Abend ankamen.

Den Rest des Abends werde ich nun mit dem Updaten meines Blogs verbringen, denn hier oben hat es tatsächlich Empfang 😉 Und ich habe heute noch einen ganzen Schwung Fotos für euch 😉

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