2
Feb
2018

Tag 70 Big Bay bis Black Rock Shelter (22 Kilometer)

Das war heute wechselhaft. Ich hab geschwitzt und noch mehr gefroren. Anfangs war das Wetter hier in den Marlborough Sounds nach dem Sturm am Vortag traumhaft schön. Es war zwar kühl am Morgen, aber es hatte einen blauen Himmel und wenig später geriet ich unter der neuseeländischen Sonne beim Einstieg in das deutlich hügeligere Gelände des heutigen Tages auf dem schönen Queen Charlotte Track doch glatt ins Schwitzen. Als wenig später dann wieder dunkle Wolken aufzogen und es für den Rest des Tages immer wieder regnen sollte, kühlte es sich hier jedoch merklich ab. Gefühlt ging das hier heute auf knapp einstellige Temperaturen runter und ich trage nun am Abend erstmals meine volle Klamotte um nicht zu frieren…

Als ich heute morgen den Eingang meines Innenzelts öffnete, hieß es Attacke! Nicht von mir, nicht auf dem Trail. Das sollte später kommen. Eine ganze Armada von Sandflies brach über mich herein, während ich noch halb im Schlafsack steckte. Lästige kleine Biester! Zumal sie im Gegensatz zur Nordinsel nicht nur meine Füße und Knöchel als Kriegsfront auserkoren hatten, sondern auch meine Arme und meinen restlichen Oberkörper. Ich holte zum Gegenschlag aus: zunächst die gute alte Methode des wilden Um-Sich-Schlagens und Eliminierens einzelner meiner Widersacher durch gezielte Schläge mit der Handfläche. Aber dieser Übermacht war ich auf diesem Wege nicht gewachsen. Für jeden Feind, den ich erschlug, kamen zwei neue ins Feld. Also Radikalmethode: meine im New-World-Supermarkt erstandene Biowaffe namens „Natural Goodbye Sandfly“ würde zum Einsatz kommen. Und das half. Mein Feind zog sich zurück. Gottseidank. Als ich etwas Ruhe hatte checkte ich zunächst mein Zelt. Es hatte dem Sturm und Regen der Nacht standgehalten. Kein Wasser war durch den Boden oder sonstwo eingedrungen. Perfekt. Als ich dann um 7:30 Uhr zum Frühstücken aus dem Zelt bin, war es zwar frisch, aber es hatte gutes Wetter. Etwas Sonne, ein paar dunkle Wolken, ein wenig Wind. Und pünktlich zum Loslaufen nach dem Frühstück zeigte sich doch tatsächlich der am Vortag erhoffte strahlend blaue Himmel.

Die Etappe heute sollte bergiger werden. Ich passierte zunächst mit Karima einige Flüsse, an denen wir unsere Wasservorräte füllten, dann stieg der gut zu laufende Track auf den Kenepuru Saddle und von dort aus auf den Grat einer bis zu 480 Meter hohen Hügelkette an.

Immer wieder boten sich fantastische Aussichten in die Traumlandschaft der Marlborough Sounds, die die einzige Landschaft Neuseelands darstellen, die im Absinken begriffen ist. Die Berge der Richmond Ranges drücken die Marlborough Sounds nach und nach ins Meer hinab. Früher waren die nun mit Meerwasser gefüllten Täler reine Flusstäler, doch durch das Absinken der Landschaft und dem massiven Anstieg des Meeresspiegels nach der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren wurden diese vom Meer geflutet und es bietet sich nun diese Landschaft einzigartiger Schönheit. Selten hab ich so eine schöne Landschaft wie in den vergangenen Tagen gesehen.

An einer Aussichtsstelle nach sieben Kilometern – Karima lag etwas zurück – machte ich eine längere Pause und genoss den Blick auf das Meer und die vielen halb versunkenen Berge. Währenddessen zog es sich nach und nach zu. Der blaue Himmel wich dunklen Wolken und es begann wieder zu regnen. Zudem kühlte es sich merklich ab.

Ich hoffte noch auf eine Besserung des Wetters und machte vom Track einen kurzen Sidetrip auf einen weiteren Gipfel auf 474 Meter. Leider zog es sich währenddessen komplett zu und regnete immer mehr. So hatte ich, oben am Eatwell Lookout angekommen, nur wenig Aussicht. Schade. Zudem wurde es noch kühler. Ich hikte heute tatsächlich mal nicht nur mit T-Shirt sondern trug zusätzlich meinen Hoodie unter der Regenjacke.

An der Bay of Many Coves machte ich später in einem DOC Shelter eine weitere lange Pause. Ich war auch aufgrund des Sidetrips auf dem eigentlichen Trail erst 12 Kilometer weit gekommen. Aber das war okay. Ich hatte Zeit und genug Essen für weitere Tage auf dem Queen Charlotte Track. Zuvor hatte ich zudem auch etwas langsamer gemacht damit Karima wieder aufschließen konnte, was sie dann hier auch wieder tat. Überraschend sah ich hier auch Dylan wieder. Später wollten wir uns zu dritt eine Campsite suchen.

Mittlerweile, es war jetzt 15 Uhr, war es richtig kalt geworden. Es sollten angeblich um die 16 bis 18 Grad sein. Anfühlen tat es sich wie gerade mal wie 8 oder 9 Grad. In den Pausen fing ich regelrecht an zu frieren, vermutlich auch ein Effekt meines Gewichtsverlustes. Ich bin ziemlich sicher, dass ich mein Startgewicht hier auf dem Trail trotz aller Bemühungen bislang nicht wieder erreicht habe und sicher auch bis Trailabschluss nicht mehr erreichen werde. Im Regen ging es anschließend weiter. Noch knapp zweieinhalb Stunden waren es bis zum nächsten Shelter, dem offenem Black Rock Shelter, in dem wir die Nacht verbringen wollten. Erstmal versuchte ich mich warmlaufen. Das klappte in dem hügeligen Gelände schon mal ganz gut und so war ich bereits nach einer Viertelstunde wieder aufgewärmt.

Der Track bot weiterhin trotz der Wolkendecke und des Regens oftmals fantastische Aussichten. Die Landschaft hier war wirklich wahnsinnig schön. Vor einigen Jahren hatte ich mal eine Dokumentation im Fernsehen über Neuseeland gesehen, u.a. über die Leute, die hier abgelegen in den Sounds leben. Das fand ich damals schon von der Landschaft fantastisch und nun selbst hier zu sein war unheimlich toll.

Kurz vor 18 Uhr erreichten wir den offenen Shelter, der genügend Platz für uns drei bot, um darin auf unseren Isomatten zu übernachten. Nur lausig kalt war es nun wo wir wieder zur Ruhe kamen. Ich zog mich früh wie die anderen auch gegen 21 Uhr in meinen Schlafsack zurück nachdem ich zuvor hier schon beim Abendessen – es gab eine Suppe und Kartoffelbrei mit Thunfisch – meine Polartecjacke als weitere, jedoch immer noch nicht ausreichende wärmende Lage angezogen hatte. Ich schätze das wird eine kalte Nacht.

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