29
Jan
2018

Tag 66 Ohariu Valley bis Wellington (36 Kilometer)

Ich hab’s geschafft! Die neuseeländische Nordinsel ist durchquert. Insgesamt habe ich von Cape Reigna hoch im Norden der Nordinsel bis zum Endpunkt des Te Araroa auf der Nordinsel im südlichen Wellington in der Islands Bay 1733,2 Kilometer zurückgelegt. Und irgendwie war das Erreichen des Endpunktes der ersten Insel dann doch etwas emotional für mich. 66 Tage sind vergangen sind seit meinem Start und was hatte ich nicht alles erlebt. Und was liegt wohl nun vor mir auf der deutlich wilderen Südinsel Neuseelands. So richtig fassen konnte ich es heute noch nicht. Und abgesehen von einem Bikepart zwischen Whanganui und Palmerston Northhabe ich auch wie geplant alles gewandert…

Offensichtlich hatte ich etwas an Schlaf nachzuholen, denn ich hab ungewöhnlich lange am heutigen Morgen bis 7:30 Uhr geschlafen. Normalerweise wurde ich ja immer so gegen spätestens 6 Uhr wach hier in Neuseeland und so war ich diesen Morgen selbst ganz überrascht, dass es bereits so spät war. Losgekommen auf den Trail, um meine letzten Kilometer bis nach Wellington, Neuseelands Hauptstadt, zu hiken, bin ich tatsächlich noch deutlich später. Ich lief erst gegen 9 Uhr los, denn Alan, in dessen Garten ich gestern mein Zelt aufschlagen konnte, hatte mir während ich meine Sachen zusammenpackte doch tatsächlich noch ein Frühstück bereitet. Es gab Croissants und Toast mit Butter und Orangenmarmelade, frische Äpfel, Milchreis mit Banane und Zimt sowie schwarzen Tee. Ein wunderbarer Start in den Tag. Alan ist wirklich ein sehr freundlicher Mensch. Er hatte viele Jahre seines Lebens in Wellington ein kleines Hostel geführt und nun lässt er in seinem Ruhestand Hiker und Personen, die auf Work & Travel sind, bei sich übernachten und kümmert sich sehr aufopferungsvoll um diese. Klasse.

Meine letzte Etappe auf der Nordinsel startete zunächst mit sechs Kilometern Roadwalking. Woah, was war ich froh, dass es sich um eine wenige befahrene Straße durch das Ohariu Valley handelte. Auf solche Straßen wie gestern hatte ich heute keinen richtigen Nerv. Die sechs Kilometer lief ich recht schnell in einer Stunde bis zum Start des Skyline Track ab, der über den Grat des Mount Kaukau, eines der Hausberge von Wellington, verläuft.

Es war wieder früh elendig heiß und so machte ich am Beginn des Tracks direkt im Schatten eine Pause, während ich der ich mein noch vom Morgentau nasses Zelt trocknen ließ. Die Wettervorhersage im Radio heute morgen hatte für verschiedene neuseeländische Orte Temperaturen zwischen 29 und 35 Grad ausgespuckt. Was genau für Wellington die Vorhersage war, kann ich gar nicht sagen, da ich diesen Wert verpasst habe, aber ich schätze er muss deutlich über 30 Grad gelegen haben. Gefühlt war das heute der heißeste Tag der vergangenen Tage und ich schätze die sieben Liter Wasser, die ich heute den Tag über verteilt getrunken habe, sind eine, wenn auch wissenschaftlich nicht anerkannte Bestätigung dafür.

Der Mount Kakau würde auf der Nordinsel für mich mit 445 Metern Höhe der letzte etwas höhere Gipfel der Nordinsel sein. Danach würde es hinunter nach Wellington gehen. Der Skyline Track ließ sich gut laufen, das einzige Hindernis war wie so oft die vergangenen Tage eine unerbitterlich brennende Sonne vor der es kein Entrinnen gab. Der Track verlief nahezu ausschließlich in völlig offenem Gelände. Schattenspendende Bäume oder Büsche gab es so gut wie keine und so wurde das in dieser Hitze trotz guten Tracks nochmal eine richtig anstrengende Sache. Bei diesem Wetter muss ich echt aufpassen, dass ich keinen Sonnenstich kriege und vor allem ordentlich trinke. Mit der körperlichen Betätigung schwitzte ich wahrscheinlich deutlich mehr Flüssigkeit aus als ich aufgrund meiner begrenzten Wasservorräte nachschütten könnte.

Um 12 Uhr erreichte ich den Gipfel, auf dem eine Funk- und Sendestation installiert ist. Der Blick hinunter ins Zentrum von Wellington und seinen Hafen war wahnsinnig schön.

So wirklich verweilen konnte oder wollte ich dennoch nicht. Die Sonne brannte einfach zu heftig und ich versuchte einfach aus dieser rauszukommen und irgendwo etwas Schatten zu erhaschen. Tat ich dann auch so ungefähr eine dreiviertel Stunde später. Über den Grat war ich den Mount Kaukau auf der anderen Seite Richtung Wellington hinabgestiegen und kurz vor Erreichen der ersten Wohnviertel der Stadt führte doch tatsächlich ein kleines Stück des Tracks durch schattigen Busch. Meine Wasservorräte waren da schon längst aufgebraucht, aber ich war guter Hoffnung in Wellington diese alsbald wieder auffüllen zu können.

Die Wohnviertel von Wellington, die ich nach der Pause passierte, waren wahnsinnig hübsch anzusehen. Kleine hübsche Holzhäuser mit schönen Veranden reihten sich hier an den Hügeln aneinander. Alles sah sehr gepflegt aus vor allem blühte in jedem Garten eine richtige Blütenpracht.

Auf dem Weg Richtung Stadtzentrum und zu meiner Jugendherberge passierte der Te Araroa dann mehrere Parks. Teilweise hatte ich hier den Eindruck gar nicht mehr in Wellington zu sein, sondern wieder auf einem guten Track im subtropischen Busch.

Gegen 14 Uhr gelangte ich in das Stadtzentrum. Und wie seinerzeit in Auckland machte ich eine totale Reizüberflutung mit. Lauter Verkehr, geschäftige Leute, Reklameschilder ohne Ende und und und… Von einer der ersten Reklametafeln – sie zeigte an einer Bushaltestelle eine überdimensionale Hamburgerkreation namens Kiwiburger von einem weltweit operierenden Burgerbräter mit einem großem gelben M als Logo – ließ ich mich direkt dazu verleiten, in einer der Filalien dieses Fastfoodriesen einen Zwischenstop einzulegen und mir zum Lunch Burger, Pommes und eine Frozen Fanta zu besorgen.

Dann machte ich mich an die weiteren Kilometer bis zu meiner Jugendherberge, die sich in guter Lage zwischen Hafenviertel und Stadtzentrum befindet. Ich durchquerte das wunderschöne kleine Hafenviertel Wellingtons, welches zentrumsnah neben der Innenstadt und abgetrennt vom Industrie- und Fährhafen der Stadt liegt. Dieses Viertel ist ein richtiger Hotspot dieser wahnsinnig schönen Stadt. Es hat hier einige Museen, jede Menge schöner alter Häuser neben modernen und architektonisch durchaus interessanten neuerer Bauten, viele kleine Bars und Cafe’s, die sich aneinanderreihen. An vielen Stellen haben sich Künstler kreativ an der Schaffung des Hafenviertels beteiligt und all dies macht einen stimmigen Eindruck. Durch die Nähe zur Innenstadt ist das Hafenviertel unheimlich belebt: während außerhalb des Wassers am Kai Einheimische und Touristen den Platz und das Viertel direkt neben der Innenstadt Wellingtons genossen und Cafe’s und Bar’s belebten, drehten Ruderer im Hafenbecken ihre Runden und angesichts der Hitze nutzten viele Kinder und Jugendliche den Sprung von der Kaimauer in das saubere und türkisblau strahlende Wasser des Ozeans. Jenseits des Ozeans bietet sich an der weiteren Küste ein toller Ausblick auf die hügelige Stadt mit ihren vielen schönen Holzhäusern, die sich eng an die Hänge der Hügel und kleineren Berge in und um Wellington schmiegen. Das war wirklich fantastisch anzusehen. Ich hatte nicht erwartet, dass Wellington so schön ist.

Trotz der tollen Eindrücke: ich erreichte angesichts der Hitze und der anstrengenden vergangenen Tage völlig geplättet und erschöpft meine Jugendherberge. Ich war bis hierhin 24 Kilometer gelaufen und hatte schon damit abgeschlossen, heute noch zum Endpunkt des Te Araroa auf der Nordinsel zu laufen. Dieser war von meiner Jugendherberge immerhin noch zwölf Kilometer entfernt. Als ich dann aber mein mit maximal drei weiteren Leuten zu teilendes Zimmer bezog und mich im Bad etwas erfrischt hatte, indem ich meinen Kopf im Waschbecken in schönes eiskaltes Wasser eintauchte, schöpfte ich neue Energie. Ich beschloss, die restlichen Kilometer heute doch noch zu laufen. Dies allerdings nicht mit vollem Gepäck. Ich schnappte mir nur einige Dinge, die ich in meinen Tagesrucksack packte: meine Kamera, mein Stativ, eine Wasserflasche und zwei Müsliriegel.

Dann lief ich den weiteren Track entlang. Zunächst hinauf auf den Mount Victoria, einen kleineren Berg, der Teil des grünen Town Belt ist: jener Hügel und kleineren Berge, die sich in und um Wellington erheben und grüne Oasen innerhalb der Stadt darstellen. Vom Mount Victoria bot sich abermals eine schöne Aussicht auf die Stadt mit ihrem Hafenviertel. Anschließend ging es über den Town Belt in Richtung südliches Wellington. Hier in den Wäldern des Town Belt wurden einige der Szenen aus den Herr-der-Ringe-Filmen gedreht, u.a. als die Hobbits im ersten Teil der Trilogie von der Straße fliehen und sich unter den Wurzeln eines Baumes vor dem reitenden Nazgul verstecken.

Vom Mount Victoria aus hatte ich noch etwa achteinhalb Kilometer bis zum südlichsten Punkt des Te Araroa auf der Nordinsel in der Islands Bay. Achteinhalb Kilometer müssten meine Schuhe noch halten, dann hätte ich es tatsächlich auch geschafft, mit meinen Salomon Trailrunners die Nordinsel komplett zu durchqueren. Natürlich waren die Schuhe am Ende und das bekam ich auch nochmal direkt zu spüren als ich einem leichten Hang mit ihnen wegrutschte und richtig schön auf meinem Hosenboden landete. Da waren es noch etwa sechs Kilometer… sobald ich da wäre, würde ich sie aus- und ganz bestimmt nicht mehr für den weiteren Te Araroa anziehen 🙂

Ich besorgte mir in einem Dairy für unterwegs noch ein Eis, einen Pfirsicheistee und für den Endpunkt selbst ein Gingerbier. Ich würde das dort genießen wollen. Der letzte Kilometer war wahnsinnig eigenartig. Ich hatte das nicht erwartet. Ich meine, mein Abenteuer würde auf der Südinsel weitergehen und insoweit war das hier nicht das Ende, aber irgendwie kam es mir doch ein wenig als ein solches vor: das Ende der Nordinsel. Ich konnte es gar nicht richtig glauben, als dann jener Felsen mit einer Gedenktafel in Sicht kam, der den Endpunkt des Te Araroa auf der Nordinsel markiert. Ich stand lange Zeit nur davor und starrte den Fels und die darin eingelassene Tafel an. Ich glaub mir wurde so nach und nach bewusst, was ich in den vergangenen 66 Tagen geleistet hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass es doch so emotional werden würde.

Nachdem ich eine Weile vor dem Felsen, der den Endpunkt der Nordinsel markiert, gestanden hatte, setzte mich neben dem Felsen ins Grad, öffnete mein Gingerbier und genoss den Augenblick. Fast eine Stunde blieb ich hier an der belebten Islands Bay im Süden Wellingtons sitzen und dachte über das Erlebte nach. Ich schoss noch einige Fotos und ja, ich zog auch meine Schuhe aus, die mich so sicher durch die Nordinsel begleitet hatten. Nun war es allerdings doch Zeit für ein neues Paar… Ich werde mich morgen darum kümmern.

Die Nordinsel Neuseelands war ein großes Abenteuer. Es war mental und körperlich wahnsinnig herausfordernd und ganz sicher war es nicht immer eine leichte Zeit, aber es war eine aufregende und auch wahnsinnig schöne Zeit, die viele Highlights hatte: lanschaftlich wie auch menschlich. Die Strände und Wälder der Northlands waren atemberaubend schön, die River Crossings dort teils wahnsinnig aufregend. Insbesondere der Okura River mit den von mir aufgeschreckten Stachelrochen wird mir lange in Erinnerung bleiben. Die Vulkanlandschaften des Tongariro waren ein wirkliches Highlight und ich bin froh, dass ich diese Wahnsinnslandschaft in absoluter Einsamkeit genießen durfte. Die Whanganui River Journey war eine fantastische Zeit in abermals atemberaubender Natur und toller Gesellschaft. Und die Tararua Ranges waren bildschön, wenn auch extrem fordernd. Und das war letztlich nur ein knapper Abriss. Menschlich waren die vielen Hiker, mit denen ich unterwegs war und von denen ich so viele so gern gewonnen habe, die Offenheit der Kiwis und die unglaublich vielen Trailangels unterwegs einfach atemberaubend. Es ist beeindruckend welcher Zusammenhalt unter uns Hikern entsteht. Und es ist so unglaublich, wie freundlich die Neuseeländer zu ihnen an sich wildfremden Leuten sind. Man reichte mir Eiscremé und eisgekühltes Bier aus dem Auto, lud mich zu Frühstücken ein, ließ mich in Gärten übernachten, feierte mit mir das Weihnachtsfest und teilte mit mir den Weihnachtslunch oder auch gleich das ganze Haus und Essen. Diese vielen kleinen und ebenso vielen großen Geschenke, die man mir machte, haben meine Reise dermaßen bereichert und regen mich persönlich auch sehr positiv zum Nachdenken an, wie ich selbst mit meinen Mitmenschen umgehe. Auf der Südinsel werden die Chancen, solche Erfahrungen mit Trailangels zu machen, vermutlich eher gering sein, da die Südinsel sehr dünn und meist nur küstennah besiedelt ist, der Trail jedoch weitestgehend im Inland nahe der neuseeländischen Alpen in der Wildnis verläuft. Umso glücklicher bin ich, all diese Erfahrungen auf der Nordinsel gemacht haben zu dürfen.

Gegen 19 Uhr machte ich auf den Rückweg in die Jugendherberge. Eigentlich wollte ich trampen, aber direkt vor mir hielt neben der Straße doch ein Bus, der zurück in die Innenstadt fuhr und eben diesen nahm ich.

Zurück in der Jugendherberge traf ich mich am Abend dann noch mit Karima, Tobias und Dylan, einem amerikanischen Hiker, den ich heute erst kennenlernte. Gemeinsam gingen wir zum Mexikaner und stießen auf das Ende der Nordinsel an. Unseren Hunger suchten wir dort ebenfalls zu stillen, aber diese kleinen mexikanischen Portionen sind echt nicht für den Hunger eines Hikers gemacht, also ging es direkt im Anschluss noch zu einer Filiale der vermutlich zweitgrößten Burgerkette weltweit: die mit der Krone im Logo 😉 in der Jugendherberge köpften wir dann noch zwei Flaschen Wein. Während Karima und Tobias gegen 23 Uhr zu Bett gingen, trank und unterhielt ich mich noch bis weit nach Mitternacht mit Dylan.

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