27
Jun
2019

Tag 6 Cape Wrath Trail – Im untypischsten schottischen Wetter aller Zeiten über den Bealach Bhernaise! Von Maol Bhuidhe nach Craig (25 Kilometer)

Die Hitzewelle rollt über Europa! Und so ganz ist das hoch im Norden liegende Schottland davon nicht befreit. Fast 30 Grad sind hier oben mittlerweile auch angekommen und die Sonne brutzelte mich heute auf dem Weg nach Craig über den Pass Bealach Bhernaise irgendwie nur so weg. Es gab den ganzen Tag lang nicht eine Wolke am Himmel und Schatten sucht man im schottischen Hochland vergeblich. Den ersten schattenspendenden Strauch erreichte ich nach sage und schreibe 22 Kilometern…

Kennt ihr das, wenn man am Morgen nach einem sportlichen Tag mit so nem schönen Muskelkater aufwacht und die Motivation aufzustehen, dann erst mal ziemlich wenig bis gar nicht vorhanden ist? So geht es mir gerade heut am Morgen. Es ist schon halb neun und ich liege noch immer auf meiner Isomatte. So bleibt mir aber wenigstens Zeit euch noch kurz von dem Film zu berichten. Ich fass mich da auch kurz. Ihr müsst den nicht gesehen haben. Der Film war stellenweise sehr langatmig und ich hätte ein paar mehr Spannungsmomente vertragen können. Die Entscheidungen und Entwicklungen mancher Charaktere schienen mir zudem schon etwas merkwürdig, beinahe unglaubwürdig. Entsprechend hatte ich so meine Probleme, mich wirklich in den Film hineinzuversetzen.

So, wieder fünf Minuten vergangen… Vielleicht hilft mir ja ein Kaffee dabei in den Tritt zu kommen. Ein paar von meinen Lieblingskeksen hab ich neben dem Müsli zum Frühstück auch noch. Es sind übrigens McVities Weizenmehlkekse mit Schokoüberzug 😉

Einige Kekse, den Kaffee und das Müsli später bin ich doch tatsächlich startbereit um kurz vor zehn. Ich hab heute mehrere Routenalternativen zur Auswahl und ich denke ich werde der klassischen Route über eine kleine Siedlung Namens Craig folgen. Erst hatte ich das anders geplant und wollte über Strathcarron hiken, aber nun hab ich mich noch mal umentschieden. Die Trailbeschreibung über Craig klingt ganz gut und auf dem Weg nach Kinlochewe, welches in der Mitte des Cape Wrath Trails liegt, spare ich mir hier ein paar wenige Kilometer. Darauf kommt es mir normalerweise nicht an, aber ich denke ich sollte meinem linken Fuß nicht zu viel zumuten. Wenn ne Entzündung drik ist, ist der eine Restday letztlich auch nicht viel wert.

Die Sonne scheint wieder. Im Gegensatz zu gestern ist nicht mal eine Wolke am Hinmel zu sehen. Untypischer könnte das Wetter für Schottland wohl kaum sein. Ich werd echt zusehen müssen, dass ich mir hier keinen deftigen Sonnenbrand einfange. Wenn erneut den ganzen Tag die Sonne auf so ein sonnenbrandanfälliges Kerlchen wie mich niederbrennt, hilft auch irgendwann keine Sonnencreme mehr. Und da ich mir gestern teils schon nen Sonnenbrand eingefangen hab, werd ich heut wohl teils in langen Klamotten hiken müssen… droht ein echt warmer Tag für mich zu werden…

Der Quad-Track, dem ich gestern bis hier zur Bothy gefolgt bin, endet übrigens an derselben. So folge ich nun nach dem Start einem kaum erkennbaren Trail, der mich leicht ansteigend über die südöstliche Flanke des Beinn Dronaig zu einem weiteren Pfad an dessen östlichen Bergschulter führen soll. Das ganze Richtung Norden. Meinem Ziel, dem Cape Wrath, komme ich also mit jedem Schritt näher . Der Trail endet jedoch bald und so muss ich mir meinen Weg abermals im Gelände suchen.

Das Gelände ist schwierig. Es geht bergan und hier ist es sumpfig wie kaum irgendwo zuvor. Insekten aller Art schwirren um mich herum. Ich komme nur schleppend vorran und mein Shirt ist bereits nach wenigen hundert Metern völlig nassgeschwitzt. Es ist jetzt schon so heiß, dass die Luft flimmert. Dabei ist es gerade halb elf.

Endlich erreiche ich den Track, der am Ostufer des Loch Calvie vorbei zu einem guten 4WD-Track an dessen Nordufer folgen soll. Ich bin von dem kurzen Stück schon mal ein gutes Stück durch. Die Hitze, das Moor, die Insekten… glücklicherweise geht es nun zunächst wieder bergab und nach der Furtung des Allt Loch Calvie relativ flach am Seeufer entlang.

Ich passiere unerwartet einen Strand, der aus Sand und kleinen Kieseln besteht. Toller Spot für eine erste kleine Pause und zum Genießen der Berglandschaft, die sich hinter dem tiefblauen See vor mir auftut.

Der nun flach gen Westen verlaufende Weg am Nordufer des Sees entlang ist echt schön zu hiken. Es ist wenig anstrengend und ein leichter Wind verschafft Kühlung von der sengenden Sonne. Die Landschaft liegt völlig ruhig da. Mehr wie das Zwitschern eines Vogels und ab und an das Plätschern eines in den See fließenden Baches, die in den mit Unmengen an Wollgras bewachsenen Hängen neben dem See entspringen, ist nichts zu hören.

Ich lasse den Loch Calvie hinter mir und steige über eine kleine Passhöhe in ein Nebental hinab. Dort erreiche ich nun eine nordwärts führende Schotterstraße, welche die südwestliche Flanke des Bidein a‘ Choire Sheasgaich umläuft, eines einzeln stehenden Berges der auch „Cheesecake“ genannt wird. Fragt mich nicht, woher dieser Name kommt. Hier zumindest aber mal ein Foto und dann könnt ihr euch eure eigene Meinung bilden 🙂

Ich habe den Eindruck, es ist noch heißer als gestern. Wäre hier oben ein Fluss, der tief genug ist, ich würde reinspringen, denn ich schwitze ohne Ende trotz des guten Trails, auf dem ich zuletzt laufe. Doch ein Fluss ist nicht in Sicht. Ich passiere nur kleine Läufe, die nicht tief genug sind. Und auch Schatten suche ich in der Hochebene vergeblich. Kein Busch und kein Baum weit und breit. So setze ich mich für eine Pause notgedrungen in die pralle Sonne bevor ich weiter ins Coire Beithe hike, wo der zunächst gemächliche, später steile Anstieg auf den Pass Bealach Bhearnais auf 600 Metern folgt. Dies soll der härteste Teil des Tages werden. Der Anstieg soll über rauhes wegloses Gelände, gespickt mit Felsbrocken und größeren Felsbouldern gehen. Na ich bin gespannt…

Ich verleibe mir noch ein Snickers ein – diesmal aus dem kühlen Innern des Rucksacks – und ziehe dann meine Socken und Schuhe wieder an. Ich versuche die Socken in jeder Pause auszuziehen. Tut erstens gut und zweitens kann ich die Socken kurz zum Trocknen in die Sonne hauen. Die waren übrigens echt ein Fehlkauf. Meine Schuhe sind trocken, meine Füße aber schon irgendwie etwas feucht, da die wasserdichten Socken einfach deutlich weniger Feuchtigkeit von innen nach außen transportieren als gewöhnliche, atmungsaktive Socken. Von meiner Seite ein eindeutiges Prädikat „Nicht empfehlenswert“. Aber es gibt wie bei allem unterschiedliche Meinungen, denn Timon war z.B. mit seinen wasserdichten Socken ganz zufrieden.

Um mich von der sengenden Sonne etwas abzulenken, hike ich mit meinem Trailmix im Ohr weiter. Diesmal gibt es vorwiegend rockige Lieder und tatsächlich auch etwas Irish Folk. Das passt natürlich super in der Landschaft hier.

Alsbald macht die Schotterstraße eine Biegung in eine Richtung, der ich nicht weiter folgen kann. Ich gehe stattdessen auf einem schmalen, aber gut erkennbaren Pfad über die Flanke eines offenbar unbekannten 795 Meter-Gipfels ins nach Osten führende Coire Beithe. Nach einigen Kilometern endet der Pfad aber und ich suche mir meinen Weg auf den Pass, der mittlerweile auch vor mir in der Ferne aufgetaucht ist, wieder einmal selbst. Ein ziemlich dickes Moorhuhn flieht vor mir als ich mich hier keuchend und schwitzend durch das Gelände bewege.

Der Weg, den ich mir suche, ist gar nicht so sumpfig, aber es ist beschwerlich so halb in der Flanke des Berges zu laufen, zumal es nun tatsächlich sehr felsig wird und einige Blockfelder zu queren sind. Die Steine darin sind oftmals wackelig und ich komme nur langsam vorran. Ich lege auch ab, das erste Bufftuch, das zweite, mein völlig nassgeschwitztes Shirt. Ich werd es oben wieder anziehen. Aber ich mache gerade keinen Schritt mehr Richtung Pass solange ich weiter in meiner Merinowolle zerfließe…

Erst um 15 Uhr bin ich oben auf dem Sattel. Das war ein hartes Stück Aevwit in den schottisch schattenlosen Highlands. Aber die fantastische Aussicht entschädigt für die Mühen. Schade nur, dass den ganzen Tag bereits ein rein blauer Himmel ist. Das sieht nicht so schön aus wie mit Wolken und Fotos werden da auch schon gar nichts wie ihr sicher selbst schon festgestellt habt 😉

Oben auf dem Pass sinke ich erst mal eine Weile ins Gras und ziehe meine Klamotten wieder an. Eine Erkältung will ich nicht riskieren und den Sonnenbrand auch nicht. Erst nach einer Viertelstunde begebe ich mich auf der anderen Passseite wieder auf den Trail, der bergab einem gut erkennbaren Pfad folgt.

Plötzlich melden sich die Schmerzen in meinem Hacken wieder. Mir nichts dir nichts sind sie auf einmal wieder da. Ich verstehe es nicht. Es muss doch am Abstieg liegen. Nur hatte ich gestern keine bzw. nur wenig Probleme. Ich halte erneut mal wieder und versuche es mit dem Patentrezept, den Schuh zu lockern. Doch auch das hilft nicht viel. Ich laufe eine paar Schritte und lockere ihn nochmals… bis zu einem Punkt, an dem ich zumindest noch nicht ganz das Gefühl verliere, dass ich eben doch Wanderstiefel statt Flipflops trage.

Dennoch muss ich mich offenbar weiter durchbeißen. Insbesondere im steilen Abstieg macht mir der Schmerz zu schaffen. Letztlich geht dies genau so lange bis ich einige Kilometer weiter und 300 Höhenmeter tiefer den Fluss Allt Leathead an Tobair erreiche, der gefurtet werden kann, über den jedoch auch eine Kabelbrücke führt.

Der Fluss führt so wenig Wasser, dass ich nicht auf die Kabelbrücke angewiesen bin. Er ist schnell gequert und ich auf seiner Nordseite angelangt. Dort halte ich. Ich muss die Schuhe wenigstens ausziehen und meinen schmerzenden Fuß kühlen. Ich würde auch supergern komplett ins kalte Nass eintauchen. Zunächst… denn während ich da im Wasser auf einem Stein sitze und sehe wie sich kleine Würmer – sind das Blutegel? – versuchen an meine Füße anzuheften, bin ich gar nicht mehr so wild darauf komplett baden zu gehen. Der Wasserstand hätte es aber auch ohnehin nicht hergegeben.

Bis zur kleinen Siedlung von Craig sind es nun noch sechs Kilometer auf einem Jeeptrack, die ich der Sonne wegen ziemlich verhüllt ablaufe. Ich ziehe das Bufftuch, das ich um den Hals trage, tief über die Nase um mich vor der Sonne zu schützen und hike im Wild-West-Look eines Banditen weiter. Musikalisch bleibe ich bei „Achy Breaky Heart“ von Billy Ray Cyrus hängen und singe mit. Countrymusik. Naja is ja nicht ganz so abwegig oder?! Ist ja Backcountry hier…

Der nach und nach abfallende Track führt in ein Forstwirtschaftsgebiet mit spektakulärer Aussicht über die hohen Gipfel des Coulin Forest, durch die ich morgen laufe. Der Geruch von Tannennadeln und Tannenharz liegt in der Luft. Kein Wunder. Ich passiere einige Stellen, wo offenbar frisch Holz geschlagen wurde.

Dann erreiche ich die winzige Siedlung Craig. In meiner Trailbeschreibung steht, dass sich das „Legendary Gerrys Hostel“ in Craig befindet. Imposanter Namenszusatz für ein Hostel. Wie sich das Hostel den wohl verdient hat?

Als ich am Hostel ankomme, ist mir schon recht schnell klar, woher. „Legendary“ meint einfach „alt“ und ich vermute mal, dass manch einer es vielleicht sogar als „schäbig“ abstempeln würde. Mir ists egal. Mein Fuß schmerzt nun eine ganze Weile wieder und weitere Kilometer mag ich auch wegen der brütenden Hitze nicht zurücklegen. Für 20 Pfund miete ich mich daher für die Nacht ein. Neben dem Schotten Neil, der gerade eine Woche hier in den Bergen verbringt, bin ich der einzige Gast.

Morgen geht es nach Kinlochewe! Ein etwas entspannterer Tag. Knappe 17 Kilometer auf meist guten Pfaden und nur ein Pass ist zu überwinden. Da es noch heißer als heute werden soll, bin ich nicht bös um den kürzeren Tag. In Kinlochewe ist dann auch Halbzeit – es liegt in etwa auf der Hälfte des Cape Wrath Trail! Und endlich erreiche ich auch den ersehnten Pub. Ich überlege jetzt schon, was ich mir zum Abendessen gönne 🙂

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