15
Jan
2018

Tag 52 John Coull Hut bis Teke Kainga (29 Kilometer)

Der zweite Tag der Whanganui River Journey war noch schöner wie der erste. Der subtropische Dschungel erschien irgendwie noch grüner, die teils bemoosten, teils kargen Felswände, die der Fluss hier in das Hügel- und Bergland gegraben hatte, noch steiler. Der Blick die steilen Felswände und bewaldeten Hänge hinauf auf die teils mehrere hunderte Meter darüber liegenden Kuppen war schon atemberaubend und spektakulär. Hinter jeder Biegung des Flusses erwartete ich persönlich dann doch die steinernen Argonaut aus den Herrn der Ringe-Filmen zu erblicken. Tat ich natürlich nicht, aber gepasst hätte es. Das ist schon eine wahnsinnig schöne Landschaft hier. Daneben habe ich am heutigen Tag noch die „Bridge to Nowhere“ besichtigt…

Mit 8:15 Uhr sind Simone, Lyndon und ich nach einem fantastischen Frühstück – statt der üblichen Kost gab es Rührei mit Salami und getrockneten Tomaten, Cornflakes mit Milch, frische Äpfel, Brot mit Salami und Käse sowie Orangensaft – vergleichsweise früh mit Kanu und Kayak auf den Whanganui River gestartet. Vergleichsweise früh insoweit, da fast alle anderen Kanuten zu dieser Zeit auf unserer Campsite entweder gerade erst aufstanden oder im Begriff waren, sich ihr Frühstück zu bereiten.

Für heute hatten wir uns eine Campsite bei Teke Kainga in der Bridge-to-Nowhere-Campsite bei der gleichnamigen Lodge reserviert. Das lag etwa 29 Kilometer entfernt, die wir laut Streckenbeschreibung in ungefähr 5 bis 6 Stunden reinem Paddeln zurücklegen dürften. Klang soweit für uns unproblematisch, zumal wir früh aufgebrochen sind, daher planten wir als Sidetrip nach ungefähr der Hälfte der Strecke auch noch ein, von der Landestelle bei Mangapura zur „Bridge to Nowhere“ zu wandern und uns diese anzuschauen.

Meine Schulter- und Oberarmmuskeln ließen mich am Anfang des Tages trotz des genommenen Magnesiums am gestrigen Abend doch noch ordentlich merken, dass sie gestern ordentlich gearbeitet hatten. Nach einigen Kilometern auf dem Fluss war das glücklicherweise aber passé.

Die atemberaubend schöne Landschaft entsprach weitestgehend jener von gestern, nur erschien heute alles noch etwas spektakulärer als gestern. Der Whanganui River mäanderte zwischen noch steileren Hängen und hohen Felskanten durch das Hügel- und Bergland des Whanganui Nationalpark. Eine tolle Landschaft. Wahnsinnig schön hier in aller Ruhe mit dem Kayak durchzugleiten bzw. zu paddeln.

Ich hatte das Gefühl gut voranzukommen. Vermutlich spielte die hohe Strömungsgeschwindigkeit des Flusses dabei aber auch mehr eine Rolle als meine eigene Muskelkraft, denn anfangs verengte sich der Flusslauf im Vergleich zu gestern deutlich. Zwischen hohen und schattigen Felswänden zu beiden Flussufern wurde der Whanganui River nach und nach schmaler und die Fließgeschwindigkeit nahm zumindest gefühlt zu.

In den engen Kehren des Flusses waren einige Stromschnellen zu überwinden, deren Wellen mein tief liegendes Kayak doch direkt gleich mehrfach überfluteten. Ich war pitschnass. Aber im Vergleich zu den Tagen zuvor beim Hiken war mir das völlig egal. Das Wasser war angenehm warm, Blasen oder wunde Füße würde ich mir nicht laufen und die Sonne brannte bereits am frühen Morgen wie verrückt. Ich war mir ziemlich sicher, am Ende des Tages einen ordentlichen Sonnenbrand zu bekommen. Was ich auch tun würde, schien mir dieser festzustehen. Und natürlich hab ich mir auch vollends die Füße verbrannt, so dass ich mir für morgen mal direkt überlegen muss, wie ich diese schützen kann. Vermutlich einfach Socken drüber im Kayak.

Einen ersten Zwischenstop legten wir nach knapp zehn Kilometern an der Mangawaiiti Campsite ein. Kurze Pause, kleiner Snack, dann ging es weiter bis zur noch neun Kilometer, einige Flussbiegungen und Wildwassersektionen später entfernten Anlegestelle bei Mangapurua. Wobei man sich unter Anlegestelle vermutlich einen Steg vorstellt. Vielmehr war das eine steinerne Steilwand, in die grob einige Vertiefungen als Stufen gehauen waren. Oben auf dem Felsen waren dann einige Eisenstangen in die Fels getrieben worden, an denen wir unsere Boote festbanden ehe wir uns auf einem Pfad durch subtropischen Wald die 3 Kilometer bis zur „Bridge to Nowhere“ aufmachten.

Zur heute völlig zwecklosen „Bridge to Nowhere“, die an sich der Vergrößerung des hier einst erfolglosen Settlements dienen sollte und im Vertrauen auf eine Straßenerschließung des Settlements gebaut wurde, hatte ich ja schon in einem meiner vorherigen Artikel was geschrieben. Daher ergänze ich hier nur noch, dass sich seinerzeit etwa 40 Familien im Mangapurua Valley im Vertrauen auf den Straßenbau niedergelassen, den Wald gerodet und Schafzuchten zur Wollerzeugung betrieben haben. Als die Pläne für den Straßenbau fallengelassen wurden und sich auch viele andere Umstände gegen die Siedler wandten, verließen diese nach und nach das Settlement wieder. 1942 waren von einst 40 Familien nur noch drei im Mangapurua Valley. 1943 wurde das Settlement schließlich komplett aufgegeben und Familien, die rund 20 Jahre unter schwierigsten Bedingungen sich versucht hatten, im Mangapurua Valley ein Heim aufzubauen, mussten das Tal mit komplett leeren Händen verlassen. Aus dieser Zeit stammt die „Bridge to Nowhere“. 1936 fertiggestellt überbrückte sich die Mangapurua River etwa 40 Meter über dem Fluss. Die Brücke war seinerzeit nur im Vertrauen auf den Straßenbau gebaut worden. Nach dem Verzicht darauf und der Aufgabe des Settlements blieb einzig und allein diese „Brücke ins Nirgendwo“ mitten im subtropischen Wald bestehen.

Nach Besichtigung der „Bridge to Nowhere“ und dem Rückweg nach Mangapurua Landing war die Anlegestelle mittlerweile gut besucht. Etwa ein Dutzend Kanus lag hier vertaut an den Steilwand. Etwas abenteuerlich balancierte ich über die Boote zu meinem etwas eingekeilten Kayak und half dann, das Kanu von Lyndon und Simone zu befreien.

Nach kurzer Fahrt machten wir auf der gegenüberliegenden Uferseite zunächst eine längere Mittagsrast ehe wir dann die restlichen zehn Tageskilometer in Angriff nahmen. Während der Mittagspause fühlte ich mich noch vollends platt, wobei ich dieses Gefühl mehr auf die brennende Sonne als auf die bereits im Kayak zurückgelegten Kilometer schob. Anschließend lief es im Kayak aber wieder richtig gut. Ich eilte Simone und Lyndon voraus und erreichte unsere Campsite bei Teke Kainga eine knappe halbe Stunde vor den beiden. Während ich nach dem Vertauen des Bootes auf die beiden wartete, nahm ich erstmal ein erfrischendes Bad im Fluss.

Die einfache Campsite, wunderschön über dem Fluss gelegen, war genau das richtige. Wenig los, eine einfache Dusche und knappe 500 Meter entfernt gab es die Bridge-to-Nowhere-Lodge mit angeschlossener Bar. Die Lodge liegt wunderschön gelegen etwa 50 Meter über einer Biegung des Flusses mit einer traumhaft schönen Holzterasse zum Fluss hin. Und sie war so gut wie garnicht besucht. Letztlich hielten sich hier neben uns dreien nur noch eine weitere Kiwi-Gruppe und ein Paar, das hier mountainbikte, neben dem freundlichen Staff der Lodge auf. Unter dem Staff war übrigens auch der derzeitige Newzealand-Champion in der alljährlichen „Bomb-Comp“, dem neuseeländischen „Arschbomben“-Wetbewerb aus einer Höhe von 10 Metern: ein sehr geselliger Maori, mit dem wir uns sehr gut unterhalten haben.

Die Bridge-to-Nowhere-Lodge war für uns ein toller Spot um den Abend ausklingen zu lassen. Wir tranken einige Flaschen Bier und Cider und hatten ein sehr entspannten Abend in gemütlicher Runde. Einige Tipps für die weiteren, nicht festgelegten Campsites am Fluss nahmen wir auch direkt vom Staff der Lodge mit. Für morgen stehen damit vermutlich erstmal über 30 Kilometer bis in den kleinen Ort Jerusalem, wo wir vermutlich im Kloster bei einigen Nonnen unterkommen können, an.

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