8
Jan
2018

Tag 45 42nd Traverse bis Tongariro Holiday Park (36 Kilometer)

Wie geil bitte kann eine Dusche sein! Und damit meine ich schlicht und einfach eine Dusche. Als Hiker findet man ja ohnehin die banalsten Dinge total klasse, da man mit all den körperlichen Strapazen auch unzählige Unbequemlichkeiten auf sich nimmt: eine Bank zum Sitzen, eine Cola oder einen Burger, trockene und/oder gewaschene Kleidung oder auch einfach nur eine richtig schöne warme Dusche nach einem harten Tag (oder wie in meinem Fall nach Wochen)…

Ich hab unruhig geschlafen die letzte Nacht. Ich war mehrfach wach. Das letzte Mal so gegen 5 Uhr morgens. Da hatte ich noch gedacht, ich bleibe noch ne halbe Stunde liegen und dann packte ich langsam zusammen. Wie das dann aber so ist, bin ich dann nochmal weggeknackt und tatsächlich erst nach 7 Uhr wieder aufgewacht. Mist! Das bedeutete einen späten Start bei einer langen und vermutlich herausfordernden Etappe. Immerhin wollte ich heute nicht nur die knapp 36 Kilometer bis zum Tongariro Holiday Park abreißen, sondern es galt daneben auch durch extrem hügeliges Gelände an die 1.000 Höhenmeter im Auf- und Abstieg hinter mich zu bringen.

Losgekommen bin ich dann erst um 8:30 Uhr. Axel war schon ein kleines Stück voraus und zwei weitere Te Araroa-Hiker, Harry und Mary, die ebenfalls am Beginn der 42nd Traverse übernachtet hatten, waren ebenfalls schon gestartet. Nach einer knappen halben Stunde hatte ich jedoch auf alle drei aufgeholt und lief dann zunächst mit Harry, einem Deutschen, vorweg auf den ersten Anstieg auf knapp 600 Höhenmeter. Die Zeit verging hier tatsächlich erst wie im Flug.

Wir passierten einen schönen Wasserfall auf der 42nd Traverse, unterhielten uns gut und brachten die ersten neun Kilometer des Tages innerhalb von zwei Stunden recht schnell hinter uns. An einem nach diesen ersten neun Kilometern zu querenden Bachlauf gönnte ich mir als zweites Frühstück einen Wrap mit Erdnussbutter und Nuss-Fruchtmischung. Da ich dermaßen an Gewicht verloren hatte in den vergangenen Wochen, klatschte ich mir direkt nen halbes Glas Erdnussbutter auf den Wrap.

Die 42nd Traverse, ein 4WD-Track, der an sich aber nur von Quads befahren werden kann, ließ sich weitestgehend ganz gut gelaufen. Es war zwar ein rauher und steiniger Track, der durchaus auch die ein oder andere zu umgehende Schlammgrube beinhaltete, aber insgesamt lief sich das gut.

Das Wetter war ebenfalls gut. Die Sonne schien und es waren nur vereinzelt einige langsam vorüber ziehende Wolken am Himmel. Beinahe war das Wetter zu gut. In den in der Sonne liegenden Abschnitten des Trails kam ich ziemlich ordentlich ins Schwitzen, was mich wieder mal daran erinnerte, wie bitter nötig ich doch eine Dusche hatte. Hinzu kam, dass es in dem hügeligen Gelände unentwegt 200 bis 300 Höhenmeter hinaufging, nur damit der Track kurze Zeit später wieder auf sein fast vorheriges Höhenniveau abfiel. Ich trank entsprechend extrem viel heute. Glücklicherweise querten aber viele kleine Bachläufe den Tack, an denen ich meine Wasservorräte immer wieder auffüllen könnte.

Vereinzelt bot der Track, der kreuz und quer durch den Tongariro Forest Park führte, schöne Aussichten in die Waldlandschaft und auf den Whanganui River, also den Fluss, den ich weiter flussabwärts dann mit dem Kanu befahren werde.

Nach 20 gelaufenen Tageskilometern erreichten wir nacheinander gegen 14 Uhr einen auf der Traverse zu querenden, hübschen Flusslauf. Die Furtung klappte problemlos. Anchließend legten wir hier alle eine längere Rast ein. ich gönnte mir eine Portion Instantnudeln und überlegte, wie es weitergehen könnte. Der Tag war schon sehr spät vorangeschritten und bis zur Campsite und erhofften Dusche war es noch ein ziemlich weiter und vor allem beschwerlicher Weg über den Waione Cokers Track, auf den der Te Araroa von der 42nd Traverse aus kurz nach der Flussfurtung wechselte. Vom Waione Cokers Track hatte ich von den anderen Hikern beim Kayakverleih in Tauramunui einiges gehört: von „unpassierbar“ bis „schwierig, aber machbar“ war alles dabei. Entsprechend sah auch die Trailbeschreibung zum Te Araroa mit dem Weitergehen der 42nd Traverse und anschließendem Roadwalking auf dem Highway eine Alternative zum Waione Cokers Track vor.

Während Harry und Mary der 42nd Traverse weiterfolgten und ihr Zelt dann irgendwo vor dem Roadwalkingabschnitt im Wald aufschlagen wollten, entschieden Axel und ich uns dazu, den beschwerlicheren Weg über den Waione Cokers Track zu nehmen. Anfangs ließ sich dieser Track, ebenfalls ein Quadtrack, noch ganz gut laufen. Er war zwar stellenweise überwuchert, aber die uns ins Gesicht schlagenden Äste und Farne kannten wir von anderen Tracks bereits zur Genüge. Später ließ sich das dann alles andere mehr als „noch ganz gut“ laufen. Der Track war nun stellenweise vollkommen überwuchert und zu allem kamen riesige Schlammlöcher hinzu, die wir umständlich und zeitraubend auszuweichen suchten.

Um 16 Uhr entschied ich mich dazu, auf die Dusche am Abend zu verzichten. Wir hatten erst vier Kilometer des zehn Kilometer langen Tracks geschafft und selbst dann wäre der Tongariro Holiday Park und die erhoffte Dusche noch nicht in Sicht. Daher entschied ich ich dazu, im Wald zu campen und mich wenigstens in einem Seitenarm des Mangatepopo Stream, den der Track kurze Zeit später querte, notdürftig zu waschen. Für die beiden Jäger, die gerade in dem Moment als ich mein Bad nahm mit ihren Gewehren vorbeispazierten, war ich sicher ein lustiger Anblick. Ich grüßte höflich und der erste von beiden erschrak doch etwas. Mit nem badenden Hiker hatte er sicher nicht gerechnet.

Nach dem Bad querte ich den Flusslauf. Axel war bereits sicher drüber angekommen. Ich muss sagen, die Querung des Mangatepopo Streams war bislang die schwierigste der „Inlandsfurtungen“. Das Wasser reichte zwar „nur“ bis knapp über die Knie, aber der Fluss hatte eine ordentliche Strömung drauf. Wäre das Wasser hüfttief gewesen, wie es vor wenigen Tagen im Regen noch war, wäre hier Endstation für uns gewesen. Wir hätten umkehren müssen, da uns das Wasser sicher sonst mitgerissen hätte. Dank des guten Wetters ging heute aber alles gut.

Die anschließenden sechs Kilometer des Waione Cokers Track waren nochmal eine größere Herausforderung als die ersten vier. Es ging zunächst auf rutschigem Lehmboden steile Hänge hinauf. Anschließend folgten weitere völlig überwucherte Pfade und unzählige sich über die gesamte Breite des Tracks erstreckende Schlamm- und Wasserlöcher. Erst nach 18 Uhr verließen wir den Track endlich.

Der Plan war ansich gewesen, auf dem letzten Kilometer des Tracks eine Wildcampmöglichkeit zu finden. Diese musste jedoch unbedingt auch eine Wasserquelle haben, den von selbigem hatten wir beide nichts mehr. Doch Wasser ließ sich hir oben auf nun knapp 750 Höhenmetern am Track gar nicht mehr auftun. Wir hatten daher keine andere Wahl als weiterzulaufen. Ich entschied mich dazu, nun doch noch zum Holiday Park zu hiken während Axel sein Zelt bei irgendeiner Wasserstelle aufschlagen wollte. Für mich waren es damit noch knapp sechs Kilometer, davon zwei auf der Straße und vier weitere auf einem Track, auf dem ich sicher schneller vorankommen würde als auf dem Waione Cokers Track.

Der erste Kilometer Straße folgte direkt als Überbrückung zum Track. Hier kam er das erste Mal richtig in Blick: der Mount Ngauruhoe, auch als „Mount Doom“ bzw. „Schicksalberg“ aus Herr der Ringe bekannt. Ich befand mich damit also auf dem Trail kurz vor Mordor 😉

Kurze Zeit später bekam ich das auch direkt zu spüren. Denn da, wo ich den Waione Cokers Track als völlig überwuchert bezeichnet hatte, setzte dieser unbenannte Track streckenweise doch glatt neue Maßstäbe. Ich hatte mich teilweise dermaßen durch dichtes Gebüsch und Stechginster – mein absolutes Hassgewächs hier – zu schlagen, dass ich gar nicht mehr sicher war, ob ich erstens noch auf dem richtigen Track war und zweitens ob ich überhaupt noch auf einem Track war. Den Schlamm- und Wasserlöchern konnte ich hier auch schon gar nicht mehr ausweichen, also nahm ich diese nassen und verschlammten Schuhe, Socken und Füße mal wieder in Kauf.

Manches Mal blieb ich auf diesem Track an irgendwelchen Ästen und Büschen hängen und stolperte entsprechend voran. An anderen Stellen war der Boden wieder völlig glitschig, so dass es Mühe machte das Gleichgewicht zu halten. Dann war es aber doch passiert: ich rutschte trotz meiner Trekkingstöcke seitwärts weg und voran mit meinen Schuhen, Beinen und der Hose in den Modder. Mit der linken Hand fing ich meinen Sturz noch etwas ab, rammte mir dabei aber unzählige kleine Dornen in die Handfläche, die ich mir anschließend einzeln aus der Hand zog. Wunderbar, der Vorhof von Mordor. So fühlten sich also Frodo und Sam auf dem Weg dahin.

Um 20 Uhr kam ich nach über 11 Stunden Hikens ziemlich entkräftet, verschlammt, verschwitzt und zerkratzt am Tongariro Holiday Park an. Da mir unterwegs auch noch das Wasser ausgegangen war, gönnte ich mir an der Rezeption zunächst eine Cola. Dann suchte ich mir einen Zeltplatz und baute mein Zelt auf, zog mich um und schmiss meine gesamte Wäsche in die Waschmaschine und dann endlich habe ich geduscht… Was für ein anstrengender Tag.

Meine Pläne fürs Tongariro Crossing habe ich übrigens heute Abend noch über den Haufen geworfen. Ich hatte ursprünglich vor, in der Mangatepopo Hut des Department of Conservation direkt im Tongariro Nationalpark zwei Nächte zu übernachten. Die erste Nacht nach dem Hike dorthin – von hier waren es um die 25 Kilometer – und die zweite Nacht nach der Besteigung des Mount Ngauruhoe. Die Hütte ist jedoch komplett ausgebucht. Ich werde daher vermutlich morgen Abend mein Nachtlager in dem 14 Kilometer entfernten Ketetahi Shelter aufschlagen, welches sich auf 1.450 Höhenmetern mitten in dem heftigen Anstieg zum Tongariro Crossing auf über 1.800 Höhenmeter befindet.

Die Wettervorhersage hat sich übrigens wie erhofft geändert. Die kommenden zwei Tage soll es ganz passabel sein, so dass ich das Tongariro Crossing machen und auch den 2.287 Meter hohen Vulkan Mount Ngauhoroe trotz meiner geänderten Planung in zwei Tagen besteigen können sollte.

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