5
Jan
2018

Tag 42 Irgendwo im Pureora Forest bis Ongarue (35 Kilometer)

Ein subtropischer Sturm mit heftigsten Regenfällen… Mittlerweile weiß ich, dass er seit Tagen angekündigt war und davor gewarnt wurde sich draußen aufzuhalten. Ich hatte jedoch schlichtweg seit Tagen keinen Empfang und befand mich mittendrin im Mittelgebirge. Die ganze Nacht hindurch hatte der Sturm getobt und der Tag sollte nicht viel besser werden. Ich glaube langsam, dass auf die neuseeländische Meteorologen und ihre Wettervorhersagen deutlich mehr Verlass ist als auf jene aus Deutschland. Die am Neujahrstag herausgebene Prognose, die über eine Woche Regen verkündet hatte, scheint bislang voll aufzugehen. Ich hoffe es wird die Tage besser, denn bislang ist das Jahr 2018 vor allem eins für mich: komplett ins Wasser gefallen…

Die Nacht war vollkommen unruhig. Es ist ein deftiger subtropischer Sturm aufgezogen mit heftigsten Regenschauern. Die Windböen haben trotz meiner einigermaßen geschützten Lage im Pureora Forest so heftig an meinem Zelt gezerrt, dass ich mehrfach dachte, irgendwann reißt es mir das Außenzelt ab. Und wenn nicht das, dann würde der heftige Regen, der unaufhörlich auf mein Zelt niederprasselte, sicher dafür sorgen, dass ich irgendwann einfach weggeschwemmt werde. So heftig und vor allem so lang andauernd hatte ich das auch bei meinen Hikes in Norwegen und Schottland nicht erlebt. Draußen musste es wahre Sturzbäche haben.

Als ich gegen 3 Uhr nachts abermals vom heftigen Regen und den Sturmböen wach lag, überlegte ich ernsthaft, ob das Wetter erstens morgen besser sein würde (was mir in diesem Moment schlichtweg unvorstellbar schien) und zweitens wie wenig begehbar der Track wohl sein müsste nach diesen Regenfällen. Drittens überlegte ich, was wohl ständig um mein Zelt schlich und komische Laute ausstieß. Eine Halluzination aufgrund meines Gruselhörbuchs – zuerst eine Geschichte von Edgar Alan Poe über einen lebendig eingemauerten Menschen, danach hatte ich mit Mary Shelly’s Frankenstein angefangen – schloss ich aus. Ich vermute, es waren schlichtweg ein paar Possums oder ein Rotte Wildschweine.

Gegen 5 Uhr morgens, ich lag wieder wach, hörte es endlich auf mit dem Starkregen, dem der Boden meines Zeltes allerdings nicht standgehalten hat. Unter meiner Isomatte und dort wo ich meine Ausrüstung niedergelegt hatte, sickerte die Feuchtigkeit nass von unten durch. Egal. Wenn es bei dem Sturm ohne Regen blieb, dann wäre mein Zelt beim späteren Einpacken zumindest halbwegs trocken. Den Zeltboden würde ich mit dem Handtuch halbwegs trockenwischen.

Um 6:15 Uhr – ich war nochmal eingeschlafen nachdem es aufgehört hatte zu regnen – stand ich auf. Kurzes Frühstück und dann abermals rein in meine nasse Socken mit den vielen Löchern. Wobei es an sich zumindest bei der linken Socke mittlerweile eher Löcher mit einem Hauch nasser Socke drumrum sind. Naja, und über all das – um die Feuchtigkeit so richtig einzuschließen um die Füße – dann noch meine nassen Schuhe. Perfekt, so fühlte ich mich zwar nicht wohl, aber irgendwie war es ein gewohntes Gefühl zu den vergangenen Tagen.

Um 7:20 Uhr bin ich dann aufgebrochen. Der Wind hatte etwas nachgelassen, auch wenn es vereinzelt immer noch heftige Böen gab. Das wird sicher ein Riesenspaß auf der nächsten Hängebrücke, dachte ich und hoffte, dass es wenigstens trocken bleiben würde heute. Aber da lag ich mit meiner Hoffnung voll daneben. Kaum war ich zehn Minuten unterwegs, schon schauerte es wieder heftig aus den schnell am Himmel vorüberziehenden Wolken.

Bereits auf den ersten Kilometern meiner heutigen Etappe vom Timber Trail zeigte sich, dass der Trail vom die ganze Nacht währenden Starkregen völlig durchweicht, verschlammt und glitschig war. Wenn ich heute wirklich bis Ongarue kommen wollte, würde das ein Kraftakt werden, zumal meine Schuhe bei weitem nicht mehr das beste Profil aufwiesen. So rutschte ich stellenweise auch mehr auf dem Trail dahin als dass ich wirklich auf diesem wanderte oder lief.

Nach den ersten sechs Kilometern suchte ich einer Nothütte am Wegesrand Schutz vor dem immer heftiger werdenden Regen. Der Sturm hatte zwar etwas nachgelassen, dafür regnete es zuweilen wieder heftigst, so dass sich der komplette Trail mit seinen vielen Auf und Abs innerhalb kürzester Zeit in ein wahres Flussbett verwandelte.

Ich lief erst weiter, als der Starkregen ein wenig nachließ, wobei das auch vergebens war. Kaum fünf Minuten unterwegs, war auch der Starkregen wieder da und der Trail ein einziger Bachlauf. Ging es aufwärts im Trail, ging ich gegen den Strom. Ging es bergab, wanderte ich stromabwärts.

Das Aufsuchen von Schutzhütten wiederholte sich über den Tag ganze vier Mal. Ich lief von Hütte zu Hütte, immer Schutz vor dem heftigen Regen suchend. „Schutzhüttenhopping“ nennt man das oder zumindest nenne ich das so. In der ersten Schutzhütte blieb ich gar nicht so lange, vielleicht 20 Minuten. In der zweiten dann schon eine ganze Stunde – ich machte mir derweil einen Wrap und Axel holte auf mich auf. In der dritten blieb ich nur zehn Minuten, da der Tag schon ziemlich weit voran geschritten war. Und in der vierten – ich hatte zwischenzeitlich ziemlich Gas gegeben und Zeit aufgeholt – erlaubte ich mir eine stärkende Portion Nudeln mit Thunfisch.

Insgesamt war ich heute auf dem Trail bereits nach weniger als zehn gelaufenen Tageskilometern klatschnass, d.h. nicht nur meine Socken und Schuhe trieften vor Nässe, sondern auch meine Regenklamotten und mein Rucksack, dessen Regenschutz gegen seitwärts fallenden oder besser wehenden Regen nun mal vollkommen wirkungslos ist. Es schüttete wie verrückt.

In der zweiten Schutzhütte dann mein persönlicher Supergau: meine Spiegelreflexkamera muckte und schien defekt zu sein. Sie musste irgendwie – wobei ich mir diese Frage nicht wirklich stellte ordentlich Feuchtigkeit gezogen haben. Shit, das würde eine teure Angelegenheit werden, einen neuen Kamerabody zu kaufen. Ich wickelte die Kamera in Toilettenpapier ein und verstaute sie so verarztet für den Rest des Tages in einem meiner Drybags. Ich hoffte, sie würde am Abend vielleicht wieder funktionieren. Tat sie dann glücklicherweise auch. Dennoch sind Fotos von heute aufgrund dessen natürlich Mangelware, wobei es außer heftigem Regens auch ohnehin nicht so viel zu sehen gab. Landschaftlich schön waren einige weitere Hängebrücken, unter den sich jeweils tosend ein Strom zu Tale goß sowie für die ehemalige Timber-Eisenbahnlinie in die Felsen gesprengte Wege und Tunnel. Hier die wenigen Bilder vom Tag, bevor ich meine Kamera zwangsläufig beiseite packen musste:

Der Starkregen machte heute den Tag über keine Anstalten sich zu bessern. Es schüttete beinahe unentwegt. Das Wasser schien von allen Seiten zu kommen. In diesen Konditionen hatte ich bis zur zweiten Schutzhütte bei Tageskilometer 12 ganze vier Stunden gebraucht. Daher überlegte ich auch erst, ob ich in dieser Hütte bleiben und auf den morgigen Tag hoffen sollte, entschied mich dann letztlich aber dagegen und änderte meine Taktik. Ohne Rücksicht auf Schlamm, Sturzbäche und tiefe Pfützen entschied ich mich, durch alles, was da auf dem Track kam, mitten hindurch zu laufen um bloß aus dem Gebirge rauszukommen. Das sorgte zwar nicht dafür, dass ich trocken oder besser weniger nass blieb, aber ich kam deutlich schneller voran, auch wenn ich nun fast fortlaufend knöchelhoch im Wasser des Sturzbaches, zu dem der Trail mutiert war, watete.

Nach der vierten Schutzhütte dann war endlich ein Ende des Tages in Sicht. Noch acht Kilometer bis zur Campsite vor Orangue, an der sich eine kleine Nothütte befinden sollte. Hierauf setzte ich. Um 17:15 Uhr kam ich nach gelaufenen 35 Tageskilometern am Ende des Timber Trail und an der Campsite mit dem Shelter an.

Im Shelter traf ich auf Simone aus Australien, die ich am Vortag auf dem Track kurz kennengelernt hatte. Da es immer noch unentwegt schüttete, entschied ich mich wie Simone dazu, direkt im Shelter zu schlafen während Axel draußen sein Zelt aufbaute.

Meine pitschnassen Sachen hängte ich allesamt im Shelter auf, auch wenn diese bis morgen sicher nicht durchtrocknen würden. Aber wenn sie etwas weniger nass wären am morgigen Morgen, wäre ich dafür schon ziemlich dankbar. Das war ein harter Tag heute nach einer harten Nacht…

You may also like

Meine Reise auf Neuseelands Te Araroa als Video – Part 2: Die Südinsel
Meine Reise auf Neuseelands Te Araroa als Video – Part 1: Die Nordinsel
Neuseeland nach dem Trail: Ben Lomond, Hobbingen und der Sprung vom Skytower in Auckland
Tag 138 Invercargill bis Bluff (40 Kilometer)

Leave a Reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.