22
Dez
2017

Tag 28 Brookby Valley bis Paparimu (33 Kilometer)

Nach dem Tag gestern und dem heutigen ist es heute am Vormittag dann soweit gewesen: ich fragte mich, warum ich mir das eigentlich antue. Aber ich wusste ja von vornherein, dass Tage kommen werden, an denen ich mir diese Frage stellen würde. Insofern ist zwar nicht alles gut gewesen heute Vormittag, aber zumindest alles wie erwartet. Und auch wenn der Fokus meiner Artikel in dieser Story von Freude, Leben und Leiden meiner selbst nun gerade etwas mehr auf dem Leiden liegt, hoffe ich euch dennoch damit unterhalten zu können 😉

Die Nacht hatte ich endlich seit langer Zeit mal wieder ein richtiges Bett gehabt. Es war total gemütlich sich einfach mal richtig ausstrecken zu können. Dennoch hatte ich unruhig geschlafen, da ich aus eigenem Verschulden – ich hatte ein offenes Fenster übersehen – jede Menge Moskitos im Raum hatte. Ich hab zwar nicht sieben auf einen Streich erwischt, aber nach und nach hab ich sie dann alle erledigt… dachte ich zumindest. Jedes Mal, wenn ich wieder das Licht ausmachte und mich schlafen legte, ging dieses nervtötende Surren eines sich im Angriffsflug befindlichen Moskitos wieder von vorne los. Naja, solche Momente kennt sicher jeder von uns… Auf jeden Fall war ich am Morgen ziemlich gerädert. Die Anstrengungen der Vortage taten da vermutlich noch ihr übriges zu.

Meine Motivation sackte darüber hinaus mit dem Aufwachen wieder in den Keller (oder war sie es immer noch?) als ich daran dachte, heute und morgen wieder elendig lange Abschnitte auf Straßen zu laufen. Geregnet hat es anfangs dann auch noch. Für einen Tag zum Durchstarten waren es alles in allem also nicht die besten Voraussetzungen. Ich versuchte mir aber damit Mut zu machen, dass nach den ersten sieben Kilometern Roadwalking ein knapp vier Kilometer langer Track durch Wald und über einige Hügelkuppen vor Clevedon führen würde.

Nach einem spartanischen Frühstück mit Schokoladenkeksen, die ich in einen über dem Toaster erwärmten Wrap eingewickelt hatte, brach ich um 7:30 Uhr auf. Mein Ziel: wenigstens 30 Kilometer abreißen und Axel und meine Motivation auf dem Trail wiederfinden. Dann direkt nach Start jedoch der sprichwörtliche Schlag in die Magengegend, der die Gestalt von Schmerzen in meiner linken Schulter und im Rücken annahm. Wie ich auch die verschiedenen Riemen am Rucksack verstellte, ich fand keine Position, wie ich das Teil angenehm ohne stechenden Schmerz tragen konnte. Die erste Pause brauchte ich nach geschlagenen drei Kilometern, eine weitere wieder nach zwei Kilometern. Na das kann ja was werden, dachte ich. Ich stellte ernsthaft in Frage, ob ich es so bis Heiligabend überhaupt nach Mercer in den Pub schaffen würde und reduzierte mein Tagesziel von 30 Kilometern gedanklich schon mal direkt auf maximal 25 Kilometer.

Dann kam zum Glück jedoch der Kimptons Track, der über die kleinen Berge nördlich von Clevedon durch dichten subtropischen Busch und Tannenwald führt. Auf einem Trampfelpfad ging es direkt in einem kurzen, aber steilen Anstieg durch schulterhohe, vom Morgentau feuchte Gräser hinauf in Tannenwald. Die einseitige Belastung, die ich zuvor beim Roadwalking hatte, lag hier im steilen Anstieg und auch auf dem weiteren Pfad oben auf den Hügelkuppen nicht mehr vor. Jeglicher Schmerz war völlig überraschend verschwunden. Das Laufen auf dem Track und auf dem weichen Waldboden machte damit richtig Spaß.

Ab dem Anstieg zur zweiten Hügelkuppe gelangte ich in dichten subtropischen Wald bzw. Busch. Hier in diesem Terrain ging ich wieder voll auf. Das liegt mir einfach mehr wie die Straße. Ich eilte die verwundenen Pfade, die sich dicht um die Bäume schlängelten, und schlug mich durch das Dickicht aus Sträuchern, Farnen und Lianen. Einzig bei den stacheligen Stechginsterbüschen nahm ich etwas Tempo raus, da ich mit denen zuletzt ja nicht gut Freund geworden bin. Beim ersten Bild dürft ihr raten, wo der Track war 🙂

Als ich in Clevedon ankam, war ich wieder deutlich motivierter. Da kam dann jedoch wieder die Breitseite: kaum machte ich die ersten Schritte auf den Straßen Clevedons, war der Schmerz in Schulter und Rücken wieder da. Ich hatte keine Ahnung, was da los war, entschied mich dann aber dazu, alles Weitere entspannt angehen zu lassen und in Clevedon erstmal ausgiebig was zu frühstücken. Ich hatte die vage Hoffnung, dass diese Entspannung auch meinem Rücken und meiner Schulter gut tun würde. Also bin ich ins ein Café namens The Corner und habe mir neben einem FlatWhite Coffee und einem Wasser eine teure, aber gute Wild Pork & Sausage Roll mit grünem Salat, Birnenscheiben, Walnüßen und Blauschimmelkäse bestellt. Das war auf jeden Fall mal was anderes als das typische Hikeressen, das für gewöhnlich aus Instantnudeln und – je nach Verfügbarkeit – Burgern mit Pommes besteht.

Nach über einstündiger Pause machte ich mich wieder auf den Trail. Erstaunlicherweise waren die Schmerzen, die mich noch am Morgen auf der Straße und in Clevedon geplagt hatten, nach dem späten Frühstück weitestgehend fort. Ich vermute, ich hatte da irgendwie total verkrampft.

In dieser Saison führt der Te Araroa ab Clevedon auf eine etwa 31 Kilometer lange Umgehungs- und komplette Roadwalkingstrecke zur Vermeidung der gesperrten Hunua Ranges. An sich geht der Trail auf sicher anstrengenden, vermutlich aber auch wunderschönen 45 Kilometern mitten durch das bewaldete Hügelland der Ranges hindurch. Seit April sind die Hunua Ranges jedoch bereits unpassierbar, u.a. wegen erheblicher Flutschäden. Mir blieb also nichts anderes übrig als wieder auf die Straße zu gehen.

Die offizielle Umleitungsstrecke führte mich durch hügeliges Famland und kleinere Siedlungen, meist mit Blick auf die Hunua Ranges. Die Straßen, die ich hier entlangwanderte, liefen sich deutlich entspannter als jene davor, da sie meist auf weite Sicht hin einsehbar waren und auf ihnen insgesamt deutlich weniger Verkehr unterwegs war. Das war also eher ein ruhiges, wenn auch landschaftlich nicht berauschendes Roadwalking. Der anfängliche Nieselregen störte mich dabei nicht. Auf Asphalt ist er mir mittlerweile sogar lieber als die (mich ver-)brennende Sonne, auch wenn die Landschaften dann meist nicht in so schönes Licht getaucht sind.

Die ersten 13 Kilometer bis ins Örtchen Hunua lief ich wiedererstarkt ohne Pause ab. Kurz vor Hunua ließ sich dann auch erstmals die Sonne blicken. Meine Zeltplatzsuche für einen Wildcampingspot nach Hunua – ich wollte heute ja nicht mehr so weit laufen – gestaltete sich allerdings schwierig. Auf der Umleitungsstrecke ist schlichtweg, zumindest soweit ich heute gekommen bin, alles in privater Hand und umzäunt. Da ist man als Thru-Hiker dann auf einen wohlwollenden Farmer angewiesen.

Ich lief nach Hunua noch weitere knapp neun Kilometer auf der Suche nach einem Zeltplatz. Bei Paparimu gabelten mich schließlich Cora und Benjamin, zwei Farmer aus der Gegend auf, und boten mir an, auf ihrem Farmland mein Zelt aufzustellen. Perfekt! Sie nahmen mich mit zu ihrer Farm und hier steht mein Zelt nun auf einer Hügelkuppe neben Kühen, einem Schaf und jeder Menge herumlaufender Hühner.

Alles in allem habe ich nach dem Morgen und Vormittag mittlerweile gedanklich wieder neue Kraft geschöpft und bin motiviert am morgigen Tag den noch verbleibenden Weg nach Mercer zu laufen. Da ich heute doch noch über die 30 Kilometermarke gekommen bin und die offizielle Umleitung etwas kürzer als der Trail durch die Hunua Ranges ausfällt, verbleiben für morgen sogar weniger wie 30 Kilometer. Das dürfte sich am 23. Dezember doch gut laufen lassen und sichert mir an Heiligabend einen kompletten Restday.

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