21
Dez
2017

Tag 27 Ambury Regional Park bis Brookby Valley (35 Kilometer)

Ehrlich gesagt weiß ich gerade garnicht, was ich so zum heutigen Tag schreiben soll. Der Tag war insgesamt ziemlich fürchterlich und meine Motivation war zwischenzeitlich auf solch einem Tiefpunkt angekommen, wie ich ihn tatsächlich noch nicht erlebt hatte. Ich bin heute 35 Kilometer gelaufen, davon waren irgendwas zwischen 30 und 32 Kilometern reines Roadwalking. Es ging durch hässliche Gewerbegebiete, an Schnellstraßen vorbei, hinter Leitplanken am Flughafenzubringer und und und… So viele Trucks wie heute und vor allem auch so nah in voller Geschwindigkeit habe ich meinem ganzen Leben sicher noch nicht gesehen…

Heute bin ich um 7:45 Uhr auf den Trail gestartet. Irgendwie bin ich vorab nicht so richtig in die Gänge gekommen, da ich einerseits mittelmäßig geschlafen hatte und mir zum anderem irgendwie schon Gedanken durch den Kopf gingen, wie ich das anstehende Weihnachtsfest denn nun verbringe. Für mich ist es tatsächlich das erste Mal ohne meine Familie und auch wenn ich in der Vorweihnachtszeit bislang recht wenig von den anstehenden Festtagen mitbekommen habe, werde ich mir schon langsam bewusst, dass bald Weihnachten ist. Tja, und und irgendwie hat das schon einen eigenartigen Geschmack für mich, zumal es nun auch noch meine „Trailfamilie“ der ersten Wochen, mit der ich ursprünglich Weihnachten verbringen wollte, etwas auseinandergerissen hat. Anna hat heute ja einen Pausentag in Auckland eingelegt während Axel und ich derweil weitergelaufen und nun etwa 50 Kilometer voraus sind.

Meine Lösung heute morgen: Heiligabend im Pub. Im kleinen Ort Rangihiri, der sich heute morgen etwa 120 Trailkilometer entfernt befand, gibt es einen Pub, der Heiligabend wohl offen hat. Das stimmte meine Weihnachtslaune dann etwas besser. Meine Lösung seit heute Nachmittag: Heiligabend und den 1. Weihnachtstag im Pub, und das ganze vielleicht auch noch mit Elizabeth und Mckenzie, mit denen ich heute hinsichtlich Weihnachten getextet hatte. Denn sowohl in Rangihiri als auch in dem knapp 25 Trailkilometer davorliegendem Mercer befindet sich ein Pub. Dann verbringe ich Heiligabend eventuell in Mercer und den Abend des 1. Weihnachtstages in Rangihiri. Insgesamt brauch ich mich dann morgen und übermorgen auch nicht so abhetzen wie zunächst gedacht.

Der Trail selbst verlief nach dem Start am Morgen zunächst einige wenige Kilometer an der Küste der Tasmanischen See entlang. Die Pazifikküste hatten wir ja bereits gestern hinter uns gelassen und waren wieder zur Westküste Neuseelands gekehrt.

Dann fing das Straßengelaufe an. Zunächst ging es durch einige Gewerbegebiete, die sich in der Nähe des Auckland International Airport angesiedelt hatten. Einige vorbeifahrende Trucks waren da für uns schon inklusive. Allerdings war das alles zunächst halb so wild, da es anfangs sogar noch einen Gehweg aus Gehwegplatten gab. Eigenartigerweise entschwand dieser jedoch, je näher wir dem Flughafen kamen. Also rein in den Spaß, rauf auf die Straße.

Am Airport selbst machten Axel und ich erstmal Pause. Wir erledigten kurz ein paar Einkäufe im dortigen Supermarkt zur Aufstockung unserer Lebensmittelvorräte. Danach gönnten wir uns noch einen Kaffee und einen Snack.

Anschließend ging es ernsthaft über viele viele Kilometer am Flughafenzubringer entlang. Das Ganze natürlich ohne Gehweg. Stellenweise konnten wir wenigstens auf dem Grün laufen, an anderen Stellen wichen wir in den Straßengraben aus, wo sich neben uns beiden Hikern dann natürlich auch jede Menge Unrat befand. Bei mir persönlich trat da schon irgendwie ne Art Lethargie ein. Dort, wo genügend Abstand zur Straße und den vorbeifahrenden Autos und Trucks ist, blickt man die ganze Zeit nur auf den Boden und damit das ganze möglichst bald endet, läuft und läuft und läuft man das Ganze einfach nur ab und versucht den Lärm und den Verkehr auszublenden. Irgendwie wieder wie ein Duracellhase, auch wenn ich das zuletzt in einem anderen Zusammenhang geschrieben hatte.

Die Motivation litt an dieser Stelle schon arg. Glücklicherweise folgte nach dem kilometerlangen Walk direkt neben dem Flughafenzubringer dann aber ein kurzes Stück einer deutlich entspannteren Straße und anschließend das einzige Stück wirklicher Track heute am Puhinui Stream. Allerdings endete das nach knapp 20 Minuten auch schon wieder in einem von Trucks bevölkertem Gewerbegebiet. Hier trennten Axel und ich uns zunächst. Der Walk durch das Gewerbegebiet an zweispurigen, vielbefahrenen Straßen entlang dauerte ca. eine Stunde. Hier zum Glück mit Fußgängerweg.

Eine aufbauende Mittagspause machte ich dann notgedrungen an einer vielbefahrenen Kreuzung. Anschließend folgten weitere drei Stunden Roadwalking auf vielen Kilometern durch eine der offensichtlich ärmeren Gegenden Aucklands und über Land auf vielbefahrenen Schnellstraßen.

Gelandet bin ich dann nach 35 Kilometern im schönen Brookby Valley im Brookby Bunk House: einer zur Hikerunterkunft umgebauten Scheune mit knapp 10 Betten. Allerdings bin ich der einzige hier. Axel ist am frühen Abend offensichtlich noch etwas weitergegangen und hat sein Zelt im Wald aufgestellt. Für mich ging nichts mehr. Die letzte Straße, deren übrigen Teil ich dann morgen ablaufen darf, hatte mir den Rest gegeben. Zudem wollte ich ohnehin im Brookby Bunk House übernachten: ein richtiges Bett, meine elektrischen Geräte aufladen und vor allem mal Wäsche waschen – meine Hose und mein Shirt hatten vom Salzwasser die letzten Tage schon ein ziemliches Tarnmuster gehabt. Mittlerweile habe ich auch alles erledigt.

Hier übrigens mal einige Kommentare von anderen ThruHikern aus meiner Te Araroa-App zu dem letzten der Straßenabschnitte von heute.

„… I would recommend hitching ahead or anyone who doesn’t mind skipping some sections.“

„… there are lots of quarry trucks going 100k an hour. Sometimes it’s the best to run when there are clear patches of traffic and stand to the side when trucks and cars are coming. …“

„That road is bloody awful! Can’t actually believe that’s the route. It’s doable but very dangerous and stressful. Not really what you want from a days hiking.“

„Best is to plan your walk a little for a less stresfull walk. I walked half of this road on friday 6.30pm and the last half on saturday… You need to be alert at all times on this road“

Das Ganze entspricht so ziemlich meinen eigenen Erfahrungen. Vor allem das letzte Stück heute war teilweise fürchterlich zu laufen. An den meisten Stellen gab es zwar einen kleinen Schotterstreifen, nicht jedoch an allen. Dort wo ich kaum ausweichen konnte, sind mehrere Trucks , die hier den Steinbruch am Ende der Straße anfahren, extrem dicht an mir vorbeigefahren. Und die Dinger haben immerhin 100 km/h drauf. Bei zwei Trucks habe ich ehrlich gesagt nur auf den Einschlag des Seitenspiegels gewartet. Meine Fresse, ich hab echt geschwitzt und das nicht nur wegen der brennenden Sonne heute.

Als ich endlich die Seitenstraße erreichte hatte, die zu meiner Unterkunft führt, hab ich mich erstmal ziemlich erschlagen am Straßenrand für eine knappe halbe Stunde hingesetzt. Mein Glück: ein freundlicher Neuseeländer, der in der Nachbarschaft wohnt, hielt mit seinem Auto an und fragte mich, ob alles okay wäre. Nach kurzem Plausch verabschiedete er sich, nur um mir fünf Minuten später zwei eisgekühlte Flaschen Bier vorbeizubringen. Das hat mich doch direkt wieder etwas aufgebaut, zumal Axel und ich am Vormittag noch darüber gewitzelt hatten, dass irgendjemand uns armen Hikern doch mal ein Bier bringen müsste… 🙂

Tja, ansonsten: Roadwalking hat mit dem heutigen Tag definitv Beachwalking verdrängt bei den Sachen, die ich etwas über habe… Ich hab mir heute sicher zwanzig oder dreißig mal gewünscht, wieder an einem nicht enden wollenden Strand entlanglaufen zu können. Ich kann angesichts dieser ersten paar Dutzend Roadwalkingkilometer nach dem Stadtzentrum von Auckland wirklich verstehen, dass manche Hiker einfach mal knappe 180 Kilometer des Trails bis Hamilton skippen – vor allem da mit den Hunua Ranges das Highlight zwischen Aukland und Hamilton derzeit noch immer gesperrt ist. Aber ich habe mir vorgenommen auch den Part bis Hamilton durchzuziehen. Auch wenn meine Füße gerade etwas anderes sagen, habe ich immer noch den Ansporn, am Ende des Trails sagen zu können, dass ich Neuseeland einmal komplett zu Fuß durchquert habe. Zudem werde ich bei diesen Negativerfahrungen sicher die anderen Tracks, Trails und Landschaften umso mehr zu schätzen wissen.

Die angedachte Bikemiete bis Hamilton hatte sich übrigens wegen der Feiertage zerschlagen. Schade. Mit dem Bike nach Hamilton zu fahren wäre für mich noch okay gewesen, da ich die Kilometer dennoch aus eigener Kraft gemacht hätte. Aber da es nicht in Frage kommt, ist halt Roadwalking angesagt. Insgesamt wahrscheinlich aber auch gut so. Zumindest auf den heute gelaufenen Straßen würde ich mit dem Rad definitiv auch nicht unterwegs sein wollen.

So, jetzt hab ich ja irgendwie doch ein wenig was geschrieben zum heutigen Tag. Dafür verzichte ich dann aber mal auf weitere Fotos unschöner Straßen und Gewerbegebiete… Wobei, zwei hätte ich dann doch noch:

Dieses kleine Kerlchen haben wir auf einer der wenigen kaum befahrenen Straßen heute im Straßengraben gefunden und es liebevoll wieder aufgepeppelt. Leider hat es uns zum Dank dann aber doch keinen Meter vorangebracht.

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