16
Mrz
2018

Tag 112 Lake Ohau bis Ahuriri River (28 Kilometer)

Immer mitten in die Berge rein… dümdümdededede… Heute ging es wieder hoch hinaus. Ich querte über den East Ahuriri Track auf 1.500 Metern die Ohau Range. Meine Füße schmerzten nicht mehr und ich gelangte heute doch noch trotz späten Starts bis auf die andere Seite des Ahuriri River. Das war mal ein River Crossing vor dem ich wirklich großen Respekt hatte. Und das lag nicht ausschließlich an den Warnungen, die ich von anderen Hikern im Vorfeld meines Crossings erhalten hatte. Auch mein eigener Blick auf den Fluss verursachte diesen: eine ordentliche Strömung, erstmals getrübte Wasser, die keine Sicht bis auf den Grund erlaubten, glitschiges Gestein und breit war der Fluss auch noch…

In der vergangenen Nacht habe ich wieder so einen Wahnsinnssternenhimmel beobachtet. Und dieser hier war besonders schön, denn dunkel zeichneten sich im Hintergrund die Berge ab und die Lichter von einigen Ferienhäusern warfen zusätzlich zum Funkeln der Sterne am Himmel wunderschöne Lichtreflexionen auf den Lake Middleton, einen kleinen See neben dem Lake Ohau, den ich direkt aus meinem Zelt aus sehen konnte. Wie quietscht Heidi Klum doch immer gleich? „Heute hab ich leider kein Foto für dich“ oder so ähnlich. Und es stimmt, denn ein Foto habe ich heute Nacht in diesem Augenblick nicht gemacht. Manche Momente will man einfach nur genießen…

Habt ihr mal Walter Mitty gesehen? Sean Penn spielt dort einen Fotografen, der im Himalaja einen extrem seltenen Schneeleopard ablichten will. Seit Tagen harrt er in der Kälte aus und wartet auf den richtigen Moment, an dem sich das Tier endlich zeigt. Als es dann soweit ist, lässt er jedoch den Finger vom Auslöser. Er beobachtet den Leoparden nur und erklärt, dass manche Momente einfach nur magisch sind und er manchmal einfach nur dasitzen und diese genießen mag. So war das gestern. Also seht es mir bitte nach 🙂

Nachdem ich gestern erst ziemlich spät mein Zelt aufgebaut und noch viel später – die Dunkelheit war schon hereingebrochen – mein Abendessen gegessen hatte, kam ich heute erst spät vom Fleck. Ich habe etwas länger geschlafen und brach daher erst gegen 8.30 Uhr auf den Trail auf. Mir war schon beim Frühstück im Zelt klar, dass ich heute mit ordentlich Wind zu kämpfen hätte, denn die Wände meines Zeltes wurden von starken Böen immer wieder durchgeschüttelt. Manchmal wundert es mich doch echt was diese Hightechzelte alles so aushalten. Ich bin auf jeden Fall zufrieden mit meinem MSR.

Und was das erst für ein Wind draußen war als ich auf den ersten Kilometern der Straße am Lake Ohau entlang und dann einem Track zum Fuß der Berge folgte. Die ersten sechs Kilometer verbrauchte ich gefühlt in diesem Kampf gegen Windmühlen die Energie für zwölf Kilometer. Und dabei befand ich mich noch nicht mal im Anstieg zur Querung der Ohau Range. Ich war noch mitten davor und hatte die steilen 900 Höhenmeter auf den Sattel, auf dem es sicher noch stärkere Böen hatte, noch vor mir. Ich hatte seit meinem Start unentwegt und vollends mühevoll gegen solche Böen ankämpfen müssen, die mich immer wieder scheinbar mühelos von einer Seite der Straße und des Tracks auf die andere schoben. Ich wünschte mich hierbei irgendwie wieder in mein Zelt zurück… 😉

Was war ich froh als ich endlich in dichten Wald kam und windgeschützt am Lauf des Freehold Creek die Ohau Range hinaufstieg.

Der Anstieg selbst war weniger mühsam als gedacht. Er dauerte einfach nur lange. Es machte aber Spaß mal wieder im Wald und noch dazu in einem schönen Wald neben einem Flusslauf mit einigen Wasserfällen aufzusteigen.

Bei 1.100 Höhenmetern erreichte ich die Baumgrenze und kam wieder in alpines Gelände. Hier oben dominierten knorrige Büsche, Speer- und Tussockgräser, große Felsbrocken und der blanke Fels des Berges. Als ich aus dem Wald trat, rechnete ich damit, dass einige starke Windböen mir den weiteren Aufstieg erschweren würden, doch befand ich mich weiterhin recht windgeschützt in der Rinne, die der Freehold Creek in die Seite des Berges geschlagen hatte. Von hier oben fiel mein Blick zurück über den Wald auf den Lake Ohau. Nach vorne sah ich auf einige der schroffen Gipfel der Ohau Range.

Der Abstieg vom Sattel erfolgte über viele Kilometer. Zunächst passierte ich dabei einen Sumpf, in dessen Schlammlöcher ich immer wieder knöchelhoch, einmal fast bis zum Knie einsackte. Ein richtiger Pfad oder Track war ab dem Sattel nicht mehr vorhanden und so galt es für mich zumeist zwischen den oftmals nicht in Sichtweite stehenden Markierungsstangen meinen eigenen Weg durch den Sumpf, das hohe Gras, den Fluss und entlang von Geröllhängen zu bahnen. An sich kein Problem. Ich kam dadurch halt nur langsam voran.

Als ich den Quellstrom des East Branch Ahuriri River erreichte, einem bedeutenden Zufluss des Ahuriri River, dachte ich über das am heutigen Abend oder kommenden Morgen anstehende Crossing des Ahuriri River nach. Eine Vielzahl an nordwärts laufenden Hikern hatte mich vor dieser offenbar sehr schweren Flussüberquerung gewarnt und empfohlen, den zehn Kilometer langen Umweg über die südlich der eigentlichen Crossingstelle gelegene Ireland Bridge zu nehmen. Zunächst wollte ich mir den Fluss natürlich ohnehin selbst erstmal anschauen, da solche Einschätzungen meist sehr subjektiv sind und vom jeweils eigenen Können abhängen, dennoch war eine solche Vielzahl an Warnungen, wie ich sie zuletzt erhalten hatte, ungewöhnlich. Naja, ich werde es heute oder morgen sehen, dachte ich und hoffte, dass das derzeit so sonnige Wetter noch anhalten würde, um meine Chancen auf eine Flussquerung hoch zu halten. Auf einen zehn Kilometer langen Umweg hatte ich ehrlich gesagt wenig Lust.

Nach einigen Kilometern im Abstieg wurde das Hiken neben dem East Branch Ahuriri River deutlich einfacher. Als sich das Tal nach und nach weitete, gelangte ich auf einen guten Pfad, der in nur leicht abfallendem und weniger von hohem Tussockgras überwucherten Terrain neben dem Fluss weiter stromabwärts lief. Hier kam ich nun sicher doppelt so schnell voran wie bisher und ich bekam die Gewissheit, es am heutigen Tag wirklich noch bis zum Ahuriri River und der Schlucht, in der er dahinfließt, zu schaffen.

Landschaftlich gewann ich hier im weiten Tal abermals den Eindruck, je mehr ich gegen Süden vorrückte, desto trockener und wüstenähnlicher wurde es. Oftmals bestand der Boden nur aus Fels und Stein mit einigen gräulichgrünen, trockenen Moosen und Flechten darauf. Dort, wo es Erde hatte, wuchsen oftmals allenfalls einige verkümmert erscheinende, gelblich-vertrocknete Gräser.

Am Abend gegen 18 Uhr erreichte ich den Ahuriri River. Ich stieg steil in dessen Schlucht hinab. Dann setzte ich mich zunächst eine Weile neben den Fluss und machte mir ein Bild von diesem. Ich konnte die Warnungen der anderen verstehen. Der Fluss war nicht nur breit und strömte teilweise schnell in Stromschnellen dahin. Das neueste hier war, dass das Wasser im Fluss trotz des trockenen Wetters so viele Sedimente trug, das kein Blick auf den Grund möglich war. Ich vermute, dass dies wahrscheinlich dauerhaft so ist. Zudem waren die Steine bereits am Rande des Flussbetts gehörig glitschig. Das würde vermutlich die ganze Querung so sein.

Ich muss zugeben, ich hatte hier großen Respekt, zumal ich in dieser recht baumkargen Wildnis keinen langen Stock als Querungshilfe auftreiben konnte und nur einen Trekkingstock hatte. Aber wenigstens der Wind spielte mir in die Karten, denn er blies anders als den Tag über bergan und somit stromaufwärts. Ich wollte es also versuchen. Ich verpackte meine Sachen, die ich sonst für gewöhnlich direkt bei mir trage, alle wasserdicht, d.h. Handy, Kopfhörer, Kamera usw. Dann ging ich los, zur breitesten Stelle des Flusses just bevor er sich an einer Steinbank in zwei Ströme teilte.

Die Steine im Flussbett waren wirklich mal so richtig rutschig. Hinzu kam, dass die Sicht wirklich gleich Null war. Der Strom trug dermaßen viele Sedimente mit sich, dass sein Wasser völlig trüb war und ich selbst große Steine, die ich übersteigen musste, unter der Wasseroberfläche nicht sah. Entsprechend tastete ich mich ganz vorsichtig voran während mir das Wasser beinahe bis zur Hüfte stieg.

Ich war froh als ich drüben war, denn ich hatte nicht gewusst wie tief es wirklich werden würde. Notfalls hätte ich umkehren müssen, aber mit dem nicht ganz bis zur Hüfte gehenden Wasser war die Querung auch nur mit einem Trekkingstock noch händelbar.

Auf der anderen Uferseite hab ich nach der Querung auf einer Anhöhe zunächst direkt mein Zelt aufgebaut. Anschließend habe ich nicht ohne wegen der nassen Klamotten und des Windes zu frieren, mit einer 0,6 Liter Pepsi-Flasche, die ich als Squeeze Bag benutzte, drei Liter Wasser gefiltert. Das funktionierte erstaunlich gut. Erst danach zog ich mir die nassen Sachen aus und wärmte mich im Zelt auf. Ich wollte erst alles erledigt haben, um möglichst nicht nochmal aus dem Zelt raus zu müssen 😉

Da ich etwas früher als in den vergangenen Tagen mein Nachtlager aufgeschlagen habe, konnte ich mein Abendessen heute endlich mal wieder etwas zelebrieren: Käse-Maccharoni mit angebratener Peperonisalami, ein Riegel Schokolade, ein Snickers und ein selbstgemachter Bananen-Vanille-Karmell-Kaffeedrink 🙂 Lecker!

Ansonsten kann ich noch berichten, dass ich heute und in den vergangenen Tagen einige Hörbücher gehört habe. So langsam ist mein Vorrat ungehörter Hörspiele und Hörbücher allerdings auf beinahe Null zusammengeschrumpft. Bei nächster Gelegenheit muss ich also unbedingt für Nachschub sorgen 🙂

Was meine Freunde angeht, mit denen ich bislang auf dem Te Araroa länger unterwegs war, kann ich euch auch noch ein Update geben: Dylan, Wietse und Eric sind offenbar mit Harry und Mary unterwegs und knapp fünf Tage zurück. Mckenzie und Elizabeth sind gerade in Queenstown und damit ungefähr eine Woche voraus. Ich vermute, dass ich die beiden auf dem Te Araroa leider nicht wiedersehen werde, was ich total schade finde. Anna dürfte ja knapp vor mir sein und von allen anderen, also Foxy, Danelle usw. habe ich derzeit keine Info.

Morgen geht es abermals hoch hinaus, auf fast 1.700 Höhenmeter über den Marthas Saddle. Mein heute Abend erklärtes Tagesziel: ich will 25 Kilometer bis zur Top Timaru Hut hiken.

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