11
Mrz
2018

Tag 107 Crooked Spur Hut bis Camp Stream Hut (30 Kilometer)

Ein Wahnsinnstag. Der vierte lange Tag in Folge. 12 Stunden bin ich insgesamt gehikt und habe dabei mit Anna, die ich gestern eingeholt hatte, bei strahlendem Sonnenschein nicht nur einen 1.500 Meter hohen ersten Gebirgssattel überschritten, sondern am Nachmittag auch das Dach des Te Araroa Trails, den 1.925 Meter hohen Stags Saddle, der uns die Two Thumb Range queren ließ. Anschließend ging es als Detour vom Trail über eine gut acht Kilometer lange Ridgeline mit unglaublicher Fernsicht auf die höchsten Berge der neuseeländischen Alpen, u.a. den Mount Cook, und auf den Lake Tekapo wieder hinunter ins Tal…

Mäuse und Schnarcher. Die erstgenannten sind die ständigen Bewohner von so gut wie jeder Hütte hier in den Südlichen Alpen. Die danach tauchen sporadisch immer wieder auf. So wie letzte Nacht. Sie lassen einen noch weniger schlafen als die im Hüttengebälk und auf dem Hüttenmobiliar hin- und hertrippelnden Mäuse, da die von ihnen verursachten Geräusche regelmäßig deutlich lauter und weniger monoton sind. Je nach Typ des Schnarchers liegt man mitunter auch wach und fragt sich, wie der schnarchend-röchelnde Mensch dabei selbst überhaupt noch schlafen kann und ob er überhaupt genügend Luft bekommt, um am nächsten Morgen auch wieder die Augen zu öffnen.

Naja, der Morgen war dafür unglaublich schön. Ein wolkenloser, noch etwas nachtblauer Himmel begrüßte mich während mein Blick in die Ferne von der exponiert liegenden Hütte zurück durch das enge, von hohen Bergen eingerahmte Tal bis hin zum Rangitata River hinüberfiel. Genau dort, beinahe wie eingerahmt durch die Berge stieg die Sonne langsam auf und beleuchtete zunächst den Berghang hinter mir und dann die Hütte.

Es war noch eiskalt an diesem Morgen als ich mein Frühstück zu mir nahm. Erstmals probierte ich eine neue Wrap-mit-Erdnussbutter-Variante. Ich mischte nämlich noch löffelweise, heute morgen nahezu tiefgefrorene Nutella unter. Ein Tipp, den Anna mir in Methven gegeben hatte, und wow, war das gut nachdem ich die Nutella im Wrap durchgeknetet hatte 🙂

Als ich um 8 Uhr aufbrach und die Verfolgung von Anna aufnahm, die eine halbe Stunde vor mir gestartet war, stand die Sonne schon etwas höher am Himmel. Ihr warmes Licht würde mich sicher bald aufwärmen und so sie das wider Erwarten nicht tun sollte, würden es die ersten drei Kilometer des Tages ganz sicher tun. Denn es ging direkt von der Hütte 500 Höhenmeter hinauf einen 1.500 Meter hohen Sattel.

Ich stieg auf durch die gräserne Tussocklandschaft und zuweilen über einige Geröllfelder. Dann, nach etwa einer Stunde, war ich oben angelangt. Und ja, mir war richtig warm nach dem Aufstieg 🙂 Unterwegs hatte ich mich schon einiger warmer Klamotten entledigt und diese in meinen Rucksack gestopft.

Vom Sattel aus blickte ich hinunter in das hoch gelegene Tal, in das ich gleich hinabsteigen würde. Von dort würde ich dem Track zunächst durch hügeliges Gelände folgen und dann später abermals dem Bush Stream, den ich gestern schon aufgestiegen war, an seinem hier nun deutlich höher gelegenen Quellfluss weiter stromaufwärts folgen.

Nach drei Stunden, zehn Kilometern und einigen kleineren Flussquerungen gelangte ich an der schön gelegenen Stone Hut am Bush Stream an. Anna hatte ich kurz zuvor eingeholt und wir legten hier eine kurze Rast ein. Dem Hüttenbuch der Stone Hut konnte ich entnehmen, dass Karima tatsächlich erst noch vor vier Tagen hier war. Wegen Schlechtwetters hatte sie zwei Nächte in der Hütte ausharren müssen.

Während Anna schon wieder auf den Trail startete überlegte ich noch wie weit ich heute hiken sollte. Das Wetter war fantastisch und ich war trotz anfänglichen Problemen am Morgen mit meinem linken Knie, die ich jedoch mit Ibuprofen in den Griff bekam wenn auch nicht löste, schnell unterwegs. Beste Voraussetzung also, um vielleicht doch noch heute den Stags Saddle und damit das Dach des Te Araroa Trails zu ersteigen. An sich wollte ich aufgrund der anstrengenden vergangenen drei Tage in der Royal Hut übernachten. Diese war jedoch nur noch sechs Kilometer entfernt und bei diesem Wetter könnte ich den Tag nicht schon am frühen Nachmittag beenden. Ich würde mich ärgern, wenn es morgen schlechtes Wetter hätte während meines Aufstiegs auf den höchsten Punkt des Te Araroa.

Auf dem Weg zur Royal Hut durchquerte ich abermals die vom hohen Tussockgras überwucherte Landschaft. Einige Male kam ich im stets hüfthohen, manchmal sogar höherem Gras vom Track ab und kämpfte mich mühevoll auf denselben zurück. Das Problem war einfach, dass das hohe Gras alles überwucherte, ganz besonders den Track, der weite Strecken gar nicht zu erkennen war. Da es oft auch an Markierungsstangen fehlte, war das Abkommen vorprogrammiert. Über die einigen Querungen des Bush Stream, die dann anstanden, war ich regelrecht froh. Hier gab es zumindest keine Möglichkeit sich „zu verlaufen“.

Kurz nach 13 Uhr kam die Royal Hut dann in Sicht und hinter mir, zumindest wenn ich mich umgedreht hätte, ein Kleinflugzeug. Die kleinmotorige Maschine flog direkt an mir vorbei und landete doch direkt bei der Hütte auf einem kleinen gräsernen Landebahn. Helikopterlandeplätze, die schlichtweg runde gräserne Flächen waren, hatte ich an einigen größeren Hütten schon gesehen, aber eine Landebahn für Kleinflugzeuge war mir tatsächlich neu. Die Landenden selbst waren weder Ranger sondern einfach ein paar Ausflügler wie ich später erfuhr.

Anna war vor mir an der Hütte angekommen und war gerade beim Lunch, ebenso zwei Northbounder. Ich gesellte mich dazu und kochte mir ein paar Nudeln mit Thunfisch. Zuvor sah ich mir jedoch noch die Hütte an, die ihren Namen – Royal Hut – nicht von ungefähr trägt. Er kommt daher, dass Prince Charles und Princess Anne als Kinder hier zu Besuch waren. Davon ab war aber nichts besonderes an der Hütte. Oder nicht mehr. Der königliche Besuch ist dann ja doch schon ein paar Jährchen her 😉

Um 14 Uhr brachen Anna und ich wieder auf. Die Querung der Two Thumb Range. Also hinauf auf den Stags Saddle. 600 Höhenmeter, die mal mehr mal weniger steil verliefen. Zunächst erfolgte der Aufstieg weiter den Bush Stream entlang anhand der eher sporadisch gesetzten Markierungsstangen, später im letzten Teil mehr und mehr auf losem Geröll.

Nach zwei Stunden Aufstieg war ich oben. Der Stags Saddle. Mit 1.925 Höhenmetern der höchste Punkt des gesamten Trails. Er bot eine tolle Aussicht bis hinunter zum Lake Tekapo.

Mit einem Kunstgriff oder vielmehr Tritt machte ich noch einen ganzen Höhenmeter mehr 😉

Anna kam vielleicht eine Viertelstunde nach mir auf dem Sattel an und gemeinsam feierten wir diesen Moment. Das Dach des Te Araroa. Irre, dass wir nun zusammen hier oben standen nachdem wir die ersten paar Wochen gemeinsam auf dem Trail unterwegs waren und dann ganze zwei Monate lang, seit Auckland, nicht mehr zusammen unterwegs waren.

Das Wetter war weiterhin fantastisch gut und so entschieden wir statt des offiziellen Weges direkt vom Sattel herunter auf die Ridgeline des rechts vom Sattel gelegenen Berges hinaufzusteigen, dem gut acht Kilometer langen Grat zu folgen und dann später erst abzusteigen und über einen anderen Weg wieder auf den Te Araroa zu gelangen. Die anfängliche Idee auf dem Sattel zu zelten verwarfen wir. Das wär zwar möglich gewesen, aber wir wollten das fantastische Wetter heute noch nutzen und der Weg über den Grat sollte absolut lohnenswert sein.

Eine gute Entscheidung, denn die Aussicht vom Grat war noch deutlich schöner als vom Sattel selbst. Der Lake Tekapo war weiterhin in Sicht, daneben aber auch die teils schnee- und gletscherbedeckten Gipfel der neuseeländischen Alpen um den höchsten Berg Neuseelands, den Mount Cook, herum. In der Ebene zog sich ein Braided River, der im Lichte der Sonne und aus dieser Höhe wie ein Strom flüssigen Silbers aussah, bis zum Lake Tekapo hinunter. Wahnsinnig schön. Und mit dieser Aussicht liefen wir nun Kilometer um Kilometer den gesamten Grat entlang.

Der Weg machte einen Heidenspaß. Nicht nur der fantastischen Aussicht wegen. Das alpine Gelände bot vor allem auch eine willkommene Abwechslung zu der ganzen Tussocklandschaft weiter unten, von der ich ehrlich gesagt jetzt auch erstmal genug hatte.

Einzig das letzte Stück, vielleicht zwei Kilometer insgesamt und nun im Abstieg vom Grat war irgendwie Mist. Es hatte meist weder einen Track noch Markierungen in solchen Abständen, dass wir sie trotz der fantastischen Weitsicht vernünftig sehen konnten. Zudem schlugen wir uns wieder beschwerlich durch hohes Tussockgras und stechendes Speergras. Egal, die Aussicht davor entschädigte für alles 😉

Erst spät am Abend, die Sonne war im Begriff unterzugehen, erreichten wir nach 20 Uhr die Camp Stream Hut: eine richtig alte, kleine, aber irgendwie doch gemütliche Hütte aus dem Jahr 1898. Ich hatte ja gestern schon festgestellt, dass ich diesen alten Hütten mit ihrem dunklen Innern und den rostigen Wellblechverkleidungen irgendwie was abgewinnen kann. Wir übernachteten hier mit zwei anderen Hikern.

Abendessen und Blog schreiben. Mehr stand heute nicht mehr an. Das eine habe ich gleich nach meiner Ankunft erledigt, das andere beende ich gleich in wenigen Sätzen 😉

Morgen steht ein weiterer langer Tag für mich an. Damit dann der fünfte in Folge. Ich will die knapp 36 Kilometer bis zum Ort Lake Tekapo am Südende des gleichnamigen Sees hiken, denn: ich habe keine Gummibären mehr… davon ab: ich werde definitiv einen Restday einlegen. Mein Körper lässt mich die vergangenen Tage ordentlich spüren.

Heute habe ich mal wieder einen ganzen Haufen Fotos geschossen, daher gibt’s nochmal nen Bildernachschlag 😉

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