6
Mrz
2018

Tag 102 Harper Village bis Rakaia River / Methven (35 Kilometer)

Heute war es soweit: ich kam am Rakaia River und damit an einer der beiden Flussquerungen an, die seitens des Te Araroa Trust zu Hazard Zones erklärt wurden und nicht mehr Bestandteil des Trails sind. Der Rakaia River als auch der Rangitata River, den ich in einigen Tagen erreiche, sind aufgrund der hohen Gefahren, die sie bergen, nicht mehr Bestandteil des Trails und so sind die Flüß´sse regelmäßig auf anderen Wegen zu queren, als durch die Flüsse hindurch. Bis vor wenigen Tagen wollte ich mir die Entscheidung, den Rakaia River zu queren, offenhalten, doch ich habe mich aus guten Gründen dagegen entschieden diesen Fluss zu queren…

Nun aber erstmal zum Beginn des Tages: wow! Was hab ich doch mal wieder so richtig gut geschlafen, nun wo ich ganz in Ruhe in meinem Zelt und damit in meinem eigenen Reich geschlafen hatte. Es war bereits gestern Abend wahnsinnig entspannend gewesen. Ich war den Tag über ordentlich unterwegs gewesen. Ganze zwölf Stunden war ich immerhin auf den Beinen und meine Knochen und Muskeln, ja mein ganzer Körper, fühlte sich hundemüde an. Dennoch war ich unendlich zufrieden als die Nacht hereinbrach. Außerhalb meines Zeltes hatte der Wind gefegt und das irgendwie beruhigende Geräusch des dahinströmenden Harper River zu mir herübergetragen.

Als ich dann am Morgen aufwachte,war ein bunter Wettermix am Himmel zu sehen, der von abwechselnd trockenen und nassen Phasen kündete. Es war zunächst vollkommen windstill und beruhigt, aber neben einigen Fetzen blauen Himmels waren Wolken in allen Grauschattierungen vertreten.

Ich packte recht schnell noch im Trockenen meine Sachen und mein Zelt zusammen und brach dann nach dem anschließenden Frühstück direkt noch vor 8 Uhr auf. Bis zum Lake Coleridge Village, welches am südlichen Ende des Lake Coleridge und auf der östlichen Seite des Flussbettes des Rakaia River liegt, lagen 29 Kilometer vor mir – die meisten davon auf einer Schotterstraße. Ich müsste zusehen relativ früh in dem kleinen Dörfchen anzukommen, denn wenn ich den Rakaia River wie erwartet nicht furten könnte, dann müsste ich aus dem Niemandsland, in dem ich mich befände, einen Hitchhike nach Methven oder Rakaia Gorge zur Umgehung des Flusses auftreiben. Und genau davon ging ich aus: es hatte die vergangenen Tage immer wieder stark geregnet und auch heute sah es so aus als würde den Tag über wieder Regen fallen. Den Rakaia River, dessen Furtung als sogenannte Hazard Zone nicht Teil des Te Araroa ist, könnte ich daher nicht durch das Flussbett queren sondern ihn nur umfahren. Umlaufen kam für mich nicht in Frage. Zumal die „Umleitungsstrecke“, die aus 70 Kilometern fußquälendem Marsch auf der Straße besteht, letztlich ebenso wenig Bestandteil des Te Araroa ist wie die Flussquerung selbst. Der Trail endet schlichtweg auf der einen Uferseite und führt dann auf der anderen Flussseite nach der Unterbrechung in seiner Kilometerrechnung weiter. Mit dem Umstand zu trampen, könnte ich an dieser Stelle also leben, auch wenn ich den Fluss in den entsprechenden Konditionen natürlich gerne gefurtet hätte.

Die, so ehrlich muss man sein, nicht grundlose Bezeichnung des Flusses als „Todesfalle“ sollte natürlich bereits dazu verleiten, überhaupt Abstand vom Gedanken einer Furtung zu nehmen und genau dies tue ich auch allen empfehlen. Ich selbst dachte nur über eine Furtung nach, da ich mit einiger Erfahrung, entsprechender Vorbereitung, vor allem aber auch weder gedankenverloren, unbedacht oder uninformiert in solch ein Unternehmen hineingehen würde.

Das kilometerbreite Flussbett, durch das sich unzählige mehr und minder tiefe, miteinander vielfach verflochtene Flussarme ziehen, ist jedoch auch in Zeiten niedriger Ströme weitestgehend nicht sicher querbar. Einige Hiker haben den Fluss in der Vergangenheit gequert, jedoch belief sich der Wasserdurchfluss hier auf sehr ungewöhnliche, absolut niedrige etwa 120 bis 140 Kubikmeter je Sekunde. Dieser Wert wird an der Messstelle bei Fighting Hill gemessen, wo sich der Fluss verengt und das Wasser aus allen Armen in einem Arm zusammenfließt. Als ich zuletzt in Boyle eine Internetverbindung hatte und mir die Wassercharts angesehen hatte, lag der Messwert bei etwa 350 Kubikmetern Wasser je Sekunde. Da es seitdem alles andere als trocken war, schätze ich den Fluss derzeit – ohne neue Informationen, vor allem auch zur Wettersituation in den etwa 2.600 Quadratkilometern, aus denen sich der Fluss am Fuße der neuseeländischen Alpen speist, zu haben – auch als unquerbar ein. Insofern mein früher Aufbruch und meine Entscheidung gegen eine Furtung 😉

Der zweite breit aufgefächerte Fluss, der den Trail als Hazard Zone unterbricht, der Rangitata River, erreiche ich in drei bis vier Tagen. Ich werde sehe, ob ich diesen queren kann. Ich hoffe darauf, denn während der Rakaia River noch halbwegs auf 70 Kilometern umfahren werden kann, beläuft sich der Umweg beim Rangitata River auf ein Vielfaches und ich würde vermutlich zwei Tage verlieren, um den Fluss zu umfahren.

Zurück zum heutigen Tag: nach meinem Aufbruch ging es durch Harper Village direkt rauf auf die staubige Schotterstraße zum Südende des Lake Coleridge. Diese führte allerdings nicht am See entlang, sondern zunächst von diesem weg und erlaubte mir nochmal einen Ausblick in jenes vom Harper River durchströmtes Tal, welches ich gestern durchquert hatte.

Anschließend schlug die Straße einen Bogen und führte zunächst an mehreren kleinen Bergseen entlang – dem Lake Henrietta, dem Lake Selfe und dem Lake Evelyn – durch die Berge hindurch Richtung Süden. Die niedrig an den Flanken der Berge, nur vielleicht hundert oder zweihundert Meter über mir hängenden Wolken wurden immer dichter. Und vor allem grauer. Noch jedoch regnete es nicht und die wenigen an mir vorüberfahrenden Autos staubten mich ordentlich ein, wenn sie mich passierten.

Erst als ich nach knapp zwölf Kilometern die Brücke über den Ryton River passierte, begann es allmählich zu regnen während ich die durch diese durchaus anders wirkende Landschaft voller braun, oker und grau gefärbter Berge wanderte. Irgendwie erschien mir das alles trübseliger. Mag aber auch am Wetter gelegen haben 😉

Ich war schnell unterwegs und machte auf dem Schotter fast an die sechs Kilometer die Stunde. Dann jedoch braute sich direkt vor mir ein Sturm zusammen. Während ich einen weiteren See, den Lake Georgina passierte, und durch das sich hinter dem See befindliche enge Tal hikte, kämpfte ich für eine gute Stunde mühselig gegen starken Gegenwind an. Der Regen hatte derweil zugenommen und schlug mir unaufhörlich ins Gesicht, so dass ich kaum vermochte meinen Blick anzuheben und die Landschaft zu blicken.

Nach einer guten Stunde war der Spuk vorbei. Ich hatte das enge Tal verlassen und damit ganz offensichtlich auch die stark windumtoste Zone. Der Regen ließ wieder nach und es nieselte nur noch.

Nach insgesamt 22 gelaufenen Straßenkilometern bog ich auf den Lake Hill Track ab, der mich an das Ufer des regelrecht türkisblauen und damit fast unwirklich erscheinenden Lake Coleridge führte. Der Track startete zunächst auf einem farmwirtschaftlich genutzten 4WD-Straße. Dann brach er jedoch immer wieder abwechselnd in sumpfige Zonen, kleine überwucherte Bereiche und hohes Grasland aus. Das Groteske: beinahe die ganze Zeit über befand sich zwischen einigen Metern bis maximal fünfzehn Metern entfernt diese oder eine andere 4WD-Straße parallel zum Track. Ich habe keine Ahnung, wofür man hier diesen Track angelegt hat. Die 4WD-Straße hätte es genauso getan.

Weitere drei Straßenkilometer nach Ende des Tracks später bekam ich vor dem Abstieg zum Lake Coleridge Village erstmals eine Aussicht auf den Rakaia River. Das war schon beeindruckend, solch ein breit aufgefächertes Flussbett.

Unten im Dorf angekommen, es war nun 14 Uhr, hielt ich mich nicht lange auf. Ich machte mich direkt auf zum Ortsausgangsschild, um möglichst zeitnah eine Mitfahrgelegenheit Richtung Süden zu erhaschen. Ich wollte bis nach Methven gelangen. Während des Hikes hatte ich mir überlegt, dass ich einen Pausentag einlegen sollte und dort gab es wenigsten ein paar Café’s, vermutlich ein paar Bar’s und vielleicht wäre sogar Anna noch dort. Dann die Ernüchterung: bis 15:30 Uhr passierte mich nicht ein Auto. Ein starker, frischer Wind war wieder aufgezogen und während ich da im neuseeländischen Niemandsland stand, begann es auch wieder zu regnen. Verdammter Mist, dachte ich, das kann ja heiter werden. Ich schulterte meinen Rucksack wieder und begab mich auf die Straße. In knapp acht Kilometern Entfernung fand sich die Straße nach Lake Coleridge Village mit einer anderen Straße zusammen und führte gemeinsam Richtung Süden. Ich hoffte darauf, dass dort etwas mehr Verkehr sein würde.

Ich hikte tatsächlich noch etwa sechs Kilometer. Ein einziges Auto hatte mich derweil passiert, aber leider nicht auf meinen rausgehaltenen Daumen angehalten. Etwa zwei Kilometer vor der Kreuzung passierte mich dann das dritte Auto. Ein kleiner gemütlicher Smart. Innendrin saß Stu aus Lake Coleridge Village. Er pickte mich auf und fuhr mich zunächst weitere 25 Kilometer bis zum Staten Highway No. 77.

Mit den nächsten beiden Hitchhikes hatte ich dann richtig Glück: bereits nach zwei Minuten im Regen hielten zwei deutsche Studentinnen neben mir und brachten mich zum Abzweig nach Methven, weitere zwei Minuten später befand ich mich im Auto eines holländischen Paares, die mich in Methven fast direkt neben der Jugendherberge absetzten, in der ich nun zum Te-Araroa-Spezialpreis von umgerechnet 12 € die Nacht wahnsinnig gut und günstig unterkommen bin. Zeit für einen Restday!

Anna befand sich tatsächlich auch noch in der Jugendherberge. Sie hatte einen Restday eingelegt und würde morgen wieder aufbrechen. Da sie die Umgehungsstrecke vom Rakaia River aber zu Fuß laufen wollte, würde ich eventuell in wenigen Tagen wieder auf sie aufschließen können.

Nachdem ich zum Abendessen einen günstigen, aber guten Chickenburger mit Pommes hatte, trafen wir uns später noch gemütlich im Pub. Auf einen Dienstag Abend ist das in Methven aber passend zum heutigen Wetter ziemlich trübselig. Wir waren die einzigen Gäste und man räumte bereits Tische und Stühle auf. Regelmäßig ist erst ab Mittwochs abends in Methven etwas mehr los. Egal, für ein Pint richtig guten Cider und den Austausch einiger Trailstories hat es noch gereicht 🙂

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